In der spannenden Welt der Tierphysiologie ist das Verdauungssystem der Pferde ein Gebiet, das sowohl Wissenschaftler als auch Pferdeliebhaber gleichermaßen fasziniert. Die Frage, ob Pferde sich übergeben können, mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, birgt jedoch tiefergehende Einblicke in die einzigartige Physiologie dieser edlen Tiere.
Dieser Artikel bietet einen tiefgreifenden Überblick über die Komplexität des Verdauungssystems von Pferden und untersucht, warum das Übergeben bei Pferden aus anatomischen und physiologischen Gründen weniger als eine Seltenheit ist.
Woher kommt die Redewendung “ Man hat schon Pferde kotzen sehen“ und was bedeutet sie?
Doch zuerst klären wir einmal die Frage wie es zu der Redewendung „Man hat schon Pferde kotzen sehen“ überhaupt kommt. Allgemein gültig ist, dass Pferde nicht erbrechen können, geschieht es dennoch, tritt etwas Verblüffendes, etwas ganz Unwahrscheinliches ein. Das will das Sprichwort des kotzenden Pferdes – am besten noch vor der Apotheke – uns sagen. „Vor der Apotheke“ ist dabei die überspitzende Variante, die ausdrücken soll, dass es sich wirklich um ein Paradoxon handeln muss, was einem da erzählt wird oder widerfahren ist. Und nun zurück zum echten Pferd, denn Ausnahmen bestätigen ja, wie dieses Sprichwort schon sagt, die Regel…
Inhaltsverzeichnis
Warum ist die Frage, ob Pferde sich übergeben können, überhaupt relevant?
Der Grund, warum diese Frage so oft gestellt wird und warum sie so wichtig ist, liegt in den Auswirkungen, die sie auf das Management und die Pflege von Pferden hat. Im Gegensatz zu vielen anderen Tierarten haben Pferde eine besondere Anatomie und Physiologie, die es ihnen nahezu unmöglich macht, zu erbrechen. Diese Einzigartigkeit hat Auswirkungen auf Ernährungspraktiken, Gesundheitsmanagement und sogar auf das Verhalten, das wir bei unseren Pferden beobachten.
Welche physiologischen Unterschiede verhindern das Erbrechen bei Pferden?
Die Fähigkeit eines Lebewesens zu erbrechen, beruht auf einer Reihe von anatomischen und neurologischen Faktoren, die im Falle der Pferde entweder fehlen oder anders geartet sind. So ist die Speiseröhre bei Pferden circa 1,20 m lang und mündet in den Magen, der bei Pferden mit einem Fassungsvermögen von 12 bis 15 Litern relativ klein ist – ganz im Gegensatz zum Rind, bei dem der Pansen 150 bis 180 Liter fasst.
Allerdings ist der untere Schließmuskel der Speiseröhre (Ösophagussphinkter) bei Pferden entscheidend, wenn es um die Nicht-Fähigkeit des Erbrechens geht: Er ist ungewöhnlich stark und dicht, was den Rückfluss vom Mageninhalt in die Speiseröhre weitestgehend verhindert. Auch ist die Einmündung der Speiseröhre in den Magen ziemlich spitzwinklig. So ist die physiologische Struktur des Pferdemagens ein weiterer Faktor, der das Erbrechen behindert. Bei einem Versuch zu erbrechen, könnte sich der Bereich, in dem der Magen und das Zwerchfell verbunden sind, verengen, wodurch der Rückfluss des Mageninhalts in die Speiseröhre weiter eingeschränkt wird.
Erbrechen Pferde deshalb nie?
Das kann man so nicht sagen, denn wie immer im Leben bestätigen Ausnahmen die Regel: Besteht eine Magenüberladung durch eine zu schnelle Futteraufnahme, leidet das Pferd an einem Darmverschluss und Darmflüssigkeit läuft in den Magen (wodurch dieser extrem gefüllt wird), oder leidet das Pferd beispielsweise an einer Magenkolik, kann ein Würgereiz im Pferd ausgelöst werden und der Schließmuskel öffnet sich doch. Das führt dazu – wenn das Futter bei Magenüberladung mit genügend Flüssigkeitsanteil versehen war – dass Pferde den Mageninhalt über ihre Nase absondern. Warum das so ist? Dafür zuständig ist der besondere anatomische Aufbau des Pferde-Rachens
Was passiert, wenn ein Pferd versucht zu erbrechen?
Trotz der physiologischen Barrieren, die das Erbrechen bei Pferden verhindern, gibt es eben seltene Fälle, in denen ein Pferd versucht, dies zu tun. Diese Versuche sind jedoch mit erheblichen Risiken verbunden. Die immense Spannung, die beim Versuch zu erbrechen entsteht, kann dazu führen, dass der Magen des Pferdes reißt, was eine akute und potenziell tödliche Situation darstellt. Daher ist es entscheidend, die Zeichen eines gestörten Verdauungssystems bei Pferden zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.
Aufzählung von Symptomen, die auf gastrointestinale Probleme hindeuten können
Die Kenntnis der Symptome, die auf ein mögliches Problem im Verdauungssystem deines Pferdes hindeuten könnten, ist von entscheidender Bedeutung. Diese Symptome können variieren, umfassen aber häufig:
- Veränderungen im Verhalten: Apathie, verminderte Aktivität oder ungewöhnliche Unruhe
- Ernährungsbedingte Anzeichen: Verlust des Appetits oder übermäßiges Schlucken
- Anzeichen in Bezug auf die Kotproduktion: Veränderungen in Häufigkeit, Menge oder Konsistenz des Kots
- Physische Symptome: Aufgeblähter Bauch, exzessives Schwitzen, wiederholtes Rollen oder Hinlegen
Prävention von Verdauungsproblemen bei Pferden: Eine Checkliste
Da Pferde anatomisch und physiologisch nicht dazu ausgestattet sind zu erbrechen, ist die Prävention von Verdauungsproblemen von größter Bedeutung. Die folgende Checkliste soll Dir dabei helfen, das Wohlergehen Deines Pferdes sicherzustellen:
Ausgewogene Ernährung
Eine ausgewogene Ernährung, die den spezifischen Bedürfnissen Deines Pferdes entspricht, ist der erste Schritt zur Prävention von Verdauungsproblemen. Abrupte Änderungen im Futter sollten vermieden werden, und stelle sicher, dass dein Pferd immer ausreichend frisches Wasser zur Verfügung hat.
Lies dazu gerne unsere Ratgeber „Pferdefütterung – back to the basics“ sowie „10 absolute Tabu-Lebensmittel für Dein Pferd“. Hier erfährst du alles Wichtige zur artgerechten Pferdefütterung.
Regelmäßige Bewegung
Bewegung ist nicht nur für die allgemeine Gesundheit deines Pferdes wichtig, sondern auch für die Aufrechterhaltung einer effizienten Verdauung. Ein ausreichendes Maß an täglicher körperlicher Aktivität kann helfen, Verstopfungen und andere Verdauungsprobleme zu verhindern.
Regelmäßige veterinärmedizinische Untersuchungen
Präventive tierärztliche Untersuchungen können dazu beitragen, potenzielle Gesundheitsprobleme frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Bei Anzeichen von Verdauungsproblemen sollte sofort ein Tierarzt konsultiert werden.
Fazit zum Thema Pferde und Erbrechen
Im Großen und Ganzen mag die Frage, ob Pferde sich übergeben können, auf den ersten Blick wie eine kuriose, vielleicht sogar trivial erscheinende Frage wirken. Doch bei genauerer Betrachtung eröffnet sie eine komplexe Welt voller nuancierter Details über die einzigartige Physiologie und die speziellen Bedürfnisse unserer equinen Gefährten. Die Tragweite der Frage und was uns dies über die komplexe Pferdephysiologie lehrt:
- Sie lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das bemerkenswerte Zusammenspiel von Anatomie und Funktion, welches das Verdauungssystem eines Pferdes ausmacht.
- Sie bringt uns dazu, die unglaubliche Stärke und Dichte des unteren Ösophagussphinkters zu würdigen, ein Schließmuskel, der trotz des hohen Drucks, der bei einem Brechversuch entstehen kann, standhält und somit eine lebensbedrohliche Situation verhindert.
- Sie lässt uns den komplexen Weg des Futters durch das Pferd von der Aufnahme bis zur Ausscheidung betrachten und verstehen, warum eine ordnungsgemäße Fütterungspraxis so entscheidend ist.
- Gleichzeitig unterstreicht sie die immense Bedeutung, die sachkundige Pflege und aufmerksames Management für die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Pferde haben.
- Sie erinnert uns daran, dass wir als verantwortungsbewusste Pferdehalter stets auf mögliche Anzeichen von Verdauungsproblemen achten und bei Bedarf sofort tierärztliche Hilfe in Anspruch nehmen sollten.
Die Frage, ob Pferde erbrechen können, ist somit viel mehr als nur eine wissenschaftliche Neugier. Sie ist ein Schlüssel zu einem tieferen Verständnis und einer verbesserten Fürsorge für unsere Pferde, die uns dazu ermutigt, das Wohlergehen unserer vierbeinigen Freunde stets in den Mittelpunkt unserer Bemühungen zu stellen.
Quellen:
tiermedizinportal.de/magazin/tierfragen-konnen-pferde-erbrechen#:~:text=Wenn%20Pferde%20an%20speziellen%20Krankheiten,durch%20und%20spannen%20ihn%20an
geo.de/geolino/redewendungen/4084-rtkl-redewendung-man-hat-schon-pferde-kotzen-sehen
reiterrevue.de/news/nachrichten/warum-pferde-sich-nicht-uebergeben-koennen-11948552.html
uelzener.de/magazin/pferd/tiergesundheit/verdauung-pferd/
pferdeklinik-rennbahn.de/de/leistungen/innere-medizin/magen-darm-kanal.html
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