Kurzgefasst beschreibt die Spannsägenkonstruktion bei der Anatomie des Pferdes einen Halteapparat aus Muskeln, Sehnen und Knochen an der Hintergliedmaße, die an eine Spannsäge erinnert. Die Konstruktion entlastet die Arbeit der Pferdemuskeln.
Um die Spannsägenkonstruktion beim Pferd richtig zu begreifen, muss man eine Spannsäge und die Anatomie des hinteren Pferdebeins kennen.
Inhaltsverzeichnis
Wie sieht eine Spannsäge aus?
Die Spannsäge gehört zu den Gestellsägen. Sie besteht aus zwei recht kurzen senkrechten Sägearmen und einem längeren Sägesteg, der die beiden Arme miteinander verbindet. Wenn man die Säge auf zwei Enden der Sägearme stellt, sieht sie aus wie ein kurzes und breites „H“. Auf der einen offenen Seite des „Hs“ spannt zwischen den beiden Armen ein Sägeblatt und auf der anderen Seite die Spannvorrichtung.
Der Vergleich der Spannsäge mit der Anatomie des Pferdes am Hinterbein kommt daher, dass die Sehnen auf der vorderen und auf der hinteren Beinseite in ihrem Aufbau um eine zentrale Achse (hier der Unterschenkelknochen) an die Konstruktion einer Spannsäge erinnern. Die Sehnen entsprechen dabei dem Sägeblatt und der Spannvorrichtung.
Wie setzt sich die Spannsägenkonstruktion des Pferdebeins zusammen?
Wichtig für die Spannsägenkonstruktion des Pferdebeins ist insbesondere der Fersensehnenstrang, der in der anatomischen Fachsprache als „Tendo calcaneus communis“ bezeichnet wird. Dieser stellt eine Gruppe von Sehnen- und Faszienzügen dar, die vom unteren Oberschenkelknochen zum Fersenbeinhöcker der Fußwurzel ziehen. Der Strang läuft etwa parallel hinter dem knöchernen Schienbein.
Richtig wirken kann der Fersensehnenstrang erst durch seinen Partner, den sogenannten „Tendo femorotarseus“. Dieser zieht vom unteren Oberschenkelknochen über den vorderen Unterschenkel und verbindet sich mit der Fußwurzel und mit dem oberen Ende des Mittelfußknochens.
=> Der Schienbeinknochen wird wie der Querbalken einer Spannsäge eingespannt – einerseits zwischen dem unteren Oberschenkelknochen und dem Sprunggelenk und andererseits zwischen dem Tendo calcaneus communis hinten und dem Tendo femorotarseus vorne.
=> Knie- und Sprunggelenk sind funktionell voneinander abhängig. Streckt oder beugt das Pferd sein Kniegelenk, bewegt es sein Sprunggelenk gleichsinnig.
Spannsägenkonstruktion beim Pferd – grafische Darstellung

Spannsägenkonstruktion beim Pferd – Schematische Darstellung der Fixationsvorrichtungen am Hinterbein des Pferdes (Quelle © Stallbedarf24)
Wie kann das Pferd sein Kniegelenk fixieren?
Wenn Pferde beide Hintergliedmaßen gleichmäßig belasten, sind die großen Quadriceps-Muskeln der Oberschenkel (Musculus quadriceps femoris) leicht angespannt. Die Kniescheibe des Kniegelenks ruht auf der Gleitfläche des Oberschenkelknochens und wird durch den gleichmäßigen Tonus des großen Muskels festgehalten. Dies fordert ein gewisses Maß an aktiver Arbeit der Oberschenkelmuskeln. Das Sprunggelenk hingegen wird durch die Konstruktion einer Spannsäge rein passiv fixiert.
Bei längerem Stehen wird das Pferd jedoch auch durch diese geringe Muskelarbeit müde und beginnt zu „schildern“ (weiter unten beschrieben). Der Patellarmechanismus wird akiviert, wodurch auch das Gelenk des Knies völlig passiv festgestellt wird.
Was ist der Patellarmechanismus?
Beim Laufen bewegt sich das Gelenk vom Knie und die Kniescheibe (lateinisch: Patella) gleitet auf den Rollkämmen des Oberschenkelknochens hin und her. Wenn Pferde im Stehen schlafen oder dösen, immobilisiert der sogenannte Patellarmechanismus das Kniegelenk. Dafür muss der Ansatzknorpel der Kniescheibe beim Strecken des Gelenks leicht einwärts rotieren und innen an der Nase des inneren Rollkamms des Oberschenkels aufreiten. Das Gelenk des Knies arretiert und kann nicht mehr einknicken.
=> Wenn das Kniegelenk durch den Patellarmechanismus fixiert ist, stellt sich durch die Konstruktion einer Spannsäge von selbst und komplett passiv auch das Sprunggelenk fest.
=> Nur wenn das Gelenk des Knies durch den Patellarmechanismus arretiert ist, ist das Bein passiv fixiert. Die Konstruktion einer Spannsäge allein reicht dafür nicht aus.
Funktioniert der Patellarmechanismus nicht richtig, kann es in der Veterinärmedizin zu Patellarfixationen oder Patellarluxationen kommen.
Was bedeutet „Schildern“?
Beim Schildern ist der oben beschriebene Patellarmechanismus aktiv: Durch Anspannen des Quadricepsmuskels streckt sich das Kniegelenk. Die Kniescheibe wird nach oben gezogen und verankert. Jetzt ist das Kniegelenk völlig passiv fixiert.
=> Schildert das Pferd, verlagert es das ganze Gewicht der Nachhand auf ein Hinterbein, und es kann das andere Hinterbein leicht gebeugt entlasten.
Was hat die Hankenbeugung mit der Spannsägenkonstruktion zu tun?
Der Reiter bezeichnet die großen Gelenke der Pferde-Hinterhand als Hanken. Dazu gehören die drei Gelenke Hüftgelenk, Kniegelenk und Sprunggelenk. Bei der Hankenbeugung winkelt das Pferd die Knie- und Hüftgelenke verstärkt an. Außerdem tritt das Pferd auf dem Reitplatz mit den Hinterbeinen stärker unter den Bauch. Bei der Ausbildung in Lektionen der Hohen Schule ist die Hankenbeugung besonders wichtig. Durch die Konstruktion einer Spannsäge am Halteapparat der Hintergliedmaße beugt das Pferd während des Trainings das Sprunggelenk immer, wenn es das Gelenk des Knies beugt.
Quellen:
Nickel; A. Schummer; E. Seiferle (1984). Lehrbuch der Anatomie der Haustiere, Band 1. Bewegungsapparat (5. überarbeitete Auflage), Berlin
einfachreiten.com/hankenbeugung/
flexikon.doccheck.com/de/Spanns%C3%A4genkonstruktion_(Veterin%C3%A4rmedizin)
de.wikipedia.org/wiki/Spanns%C3%A4genkonstruktion
de.wikipedia.org/wiki/Versammlung_(Reiten)