Viele Reiter haben den Eindruck, dass ihr Pferd überhaupt nicht schläft. Jedes Mal, wenn sie in den Stall oder auf die Weide kommen, ist das Pferd wach. Wenn es dann doch einmal liegt, scheint es auch nicht wirklich zu schlafen.
Tatsächlich ist es so, dass sich der Pferdeschlaf deutlich von den menschlichen Schlafgewohnheiten unterscheidet. In unserem Ratgeber erfährst du unter anderem, welche Schlafphasen es beim Pferd gibt und warum das Pferd einen ausgeklügelten Schlafrhythmus entwickelt hat.
Inhaltsverzeichnis
Wie lange schlafen Pferde?
Es ist schwierig, präzise Angaben dazu zu machen, wie lange ein Pferd schläft. Je nach Alter, Rasse, Haltungsbedingungen, Jahreszeit und dem individuellen Temperament des Pferdes unterscheiden sich die Schlafgewohnheiten merklich voneinander. So benötigen Fohlen zum Beispiel deutlich mehr Schlaf als ausgewachsene Pferde. Auch Pferde, die vielen Reizen ausgesetzt sind und sich mehr anstrengen müssen, benötigen längere Ruhezeiten.
Je nach Quelle gibt es außerdem unterschiedliche Angaben zu dem Schlafbedarf von Pferden. Die folgenden Angaben sind deswegen als grober Richtwert zu verstehen.
Üblicherweise verbringen erwachsene Pferde etwa gut sechs Stunden am Tag mit Dösen und Schlafen, Fohlen benötigen einige Stunden mehr. In dieser Zeit schlafen die Tiere nicht am Stück, sondern über den ganzen Tag verteilt in einzelnen Etappen, die bis zu zwanzig Minuten dauern können.
Die Schlaf- und Wachzeiten von Pferden verteilen sich ungefähr wie folgt:
- 75 % des Tages sind die Pferde wach.
- 25 % des Tages verbringen die Tiere in den drei Schlafphasen, die man in die weiter unten näher beschriebenen Schlafphasen unterscheidet:
– Dösen
– SWS-Schlaf (Tiefschlaf-Phase)
– REM-Schlaf (Traumschlaf-Phase)
Wie lange schlafen Pferde nachts?
Die Hauptruhezeiten für Pferde sind die Zeit von Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden und die Mittagszeit. In der Nacht schlafen Pferde bis zu sechsmal. Dabei hält der längste Schlafzyklus gut fünfzehn Minuten an.
Schlafphasen und Schlafpositionen – wie schläft ein Pferd?
Bei Pferden trennt man drei Schlafphasen voneinander, die man als Pferdehalter oft nur schwer unterscheiden kann:
Dösen oder Schildern
Das Dösen oder Schildern stellt eine Phase zwischen Schlafen und Wachsein dar. Es kann auch dem SWS-Schlaf (siehe weiter unten) zugeordnet werden. Pferde erholen sich während dieser Zeit, ohne richtig zu schlafen.
Meist steht das Pferd beim Dösen, es kann aber auch liegen. Seine Muskeln spannt es kaum an. Die Tiere stehen entspannt mit hängender Unterlippe da und haben die Augenlider gesenkt. Ein Hinterbein ist entlastet. Die Ohren sind nach außen gestellt, so dass die Tiere trotz der entspannten Position Geräusche der Umgebung aus allen Richtungen wahrnehmen können.
Pferde dösen etwa zwei Stunden lang am Tag.
SWS-Schlaf
Die Abkürzung SWS steht für „Slow-Wave-Sleep“. Man bezeichnet diesen Schlaf auch als Tiefschlaf. Die Tiere haben eine verlangsamte Atem- und Herzschlagfrequenz und das Gehirn ist in einer Ruhephase. Oft liegen die Pferde in Brustlage, sie können aber auch stehen. Obwohl ihr Gehirn nicht aktiv ist, nehmen die Tiere ihre Umwelt wahr und können sofort reagieren, wenn Gefahr naht.
Auch wenn sie liegen, sind die Pferde beim kleinsten Anzeichen von Bedrohung sofort wieder auf den Beinen und fluchtbereit.
Tragende Stuten oder ältere Tiere, die nicht schnell aufstehen können, verbringen diese Schlaf-Phase ausschließlich im Stehen.
Warum schlafen Pferde häufig im Stehen?
Während Pferde dösen oder sich im SWS-Schlaf befinden, können sie stehen. Wie im Wachzustand achten sie in diesen Phasen darauf, ob ihnen Unheil droht. Wenn sie stehend schlafen, können sie bei Gefahr direkt weglaufen und sparen die Zeit, die durchs Aufstehen verstreichen würde, um ihr Leben zu retten.
Um als Fluchttier in der Wildnis zu überleben, hat das Pferd diesen ausgeklügelten Schlafrhythmus entwickelt, der ihm die nötige Erholung und im Ernstfall eine schnelle Flucht ermöglicht.
REM-Schlaf
REM ist die Abkürzung für „Rapid Eye Movement“. Atmung und Herzschlag des Pferdes sind deutlich verlangsamt und sämtliche Muskeln sind tiefenentspannt. In der REM-Phase ist das Gehirn sehr aktiv und verarbeitet vermutlich die am Tag gewonnenen Eindrücke. Erkennbar wird dies an den zuckenden Augenbewegungen, aus denen auch der Name der Schlafphase resultiert.
In der REM-Schlafphase legen sich die Pferde lang ausgestreckt auf die Seite. Die Augen sind geschlossen und die Tiere wirken wie weggetreten.
Die REM-Phase des Schlafs ist für die Regeneration der Muskeln der Pferde wichtig. Sie findet hauptsächlich in der Nachtruhezeit statt.
Da es aus dieser Position heraus länger dauert, um wieder auf die Beine zu kommen, legen sich die Tiere nur hin, wenn sie sich absolut sicher fühlen.
Wie schlafen Pferde im Stehen?
Während beim Menschen im Schlaf sämtliche Muskeln erschlaffen, kann das Pferd auch im Stehen schlafen, ohne umzufallen. Dies liegt an einer anatomischen Besonderheit der Hinterhand des Pferdes, der sogenannten Spannsägenkonstruktion.
Durch die Anordnung der Sehnen des hinteren Pferdebeins sind Knie und Sprunggelenk miteinander verbunden und arbeiten in gleicher Bewegungsrichtung. Beugt oder streckt das Pferd sein Knie, wird das Sprunggelenk automatisch ebenfalls gebeugt oder gestreckt. In der Streckung kann das Pferd die Kniescheibe auf dem medialen Rollkamm, ein Teil des Oberschenkels, fixieren. Auf diese Weise wird das Bein in der Streckrichtung arretiert und verharrt im Schlaf ohne Muskelaufwand in der Position.
Du kannst den Mechanismus mit einem Campingstuhl vergleichen, bei dem durch eine Art Manschette das Scharnier fixiert werden kann und die Stuhlbeine auf diese Weise festgestellt werden können.
Träumen Pferde?
Forscher haben Hirnstrommessungen vorgenommen und herausgefunden, dass Pferde in der REM-Schlafphase die gleichen Hirnströme wie Menschen aufweisen. Vieles deutet darauf hin, dass Pferde wie Menschen träumen können.
Die Augen der Tiere sind in der REM-Phase in Bewegung, viele Pferde zucken mit den Beinen, machen Laufbewegungen oder bewegen die Ohren. Gerade Fohlen haben oft eine sehr lebhafte REM-Phase. Dies spricht dafür, dass auch Pferde das Erlebte im Traum verarbeiten wie wir Menschen.
Können Pferde Schlafstörungen haben?
Bei viel Stress oder schlechten Schlafbedingungen gelingt es vielen Pferden nicht, in die erholsameren Schlafphasen zu kommen. Sie dösen zwar, schaffen es aber nicht, sich hinzulegen und gänzlich zu entspannen. Gerade die liegende Schlafposition ist jedoch wichtig für die Tiere, um ausreichend ausgeruht zu sein. Den Pferden fehlt der erholsame REM-Schlaf und das Schlafbedürfnis wird nicht gedeckt.
Bekommen Pferde dauerhaft zu wenig Schlaf, kann sich dies wie folgt äußern:
- Das Fell wird stumpf und glanzlos.
- Der Blick ist nach innen gekehrt und das Pferd wirkt teils apathisch.
- Es wirkt abgeschlagen und zeigt einen merkbaren Leistungsabfall.
- Es zeigen sich Gleichgewichtsstörungen von leichtem Schwanken bis hin zu Stürzen.
- Das Pferd ist ablenkbar und kann sich schlecht konzentrieren.
- Das Pferd entwickelt Verhaltensauffälligkeiten.
Wo schlafen Pferde am liebsten?
Die Tiere brauchen ein ruhiges, trockenes und sauberes Plätzchen, das groß genug ist, damit sie sich gemütlich ausstrecken können. Sie müssen sich wohlfühlen und sicher fühlen. Nur so können sie in den für ihre Gesundheit wichtigen REM-Schlaf fallen.
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Wenn dein Pferd unausgeschlafen ist, liegt dies gegebenenfalls an der Box oder am Boden. Vielleicht ist die Box zu eng oder der Boden und die Einstreu zu feucht? Das Tier kann aber auch zum Beispiel unter einem Stallwechsel oder einer unruhigen Umgebung leiden.
Wichtig: Bei Schlafmangel schnell reagieren!
Wenn du vermutest, dass dein Pferd wegen eines Schlafmangels schwächelt, musst du dringend handeln. Das Tier quält sich und kann sich bei Stürzen schwer verletzen. In sehr schlimmen Fällen kann dies zum Einschläfern eines Pferdes führen.
Zunächst solltest du überlegen, ob die Schlafprobleme durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst wurden. Gab es einen Stallumzug, ein neues Herdenmitglied oder ist das Tier erkrankt? Hat es Probleme beim Hinlegen oder Aufstehen?
Zudem musst du die Schlafumgebung des Tieres untersuchen. Vielleicht hilft eine andere Einstreu oder eine andere Box, damit sich das Tier wieder besser entspannen kann.
TIPP: Rufe den Tierarzt hinzu, wenn sich das Schlafverhalten deines Pferdes nach einigen Tagen nicht wieder normalisiert. Im Gespräch mit dem Tierarzt oder wenn er das Tier untersucht, findet sich ggf. schnell die Ursache für die Schlaflosigkeit. Oder der Veterinär empfiehlt dir weiterführende Maßnahmen.
HINWEIS:
- In unserem Ratgeber „Pferdeboxen – Alles was Du wissen musst“ liest du nach, ob die Box deines Pferdes artgerecht ist.
- Im Ratgeber „Pferdeställe richtig ausmisten – alles gar nicht so viel Mist!“ erfährst du, warum Pferde krank werden, wenn mangelhaft gemistet wird.
Quellen:
wikipedia.org/wiki/Schlafverhalten_von_Pferden
equusvitalis.ch/de-CH/info/magazin/pferde-und-schlaf
propferd.at/main.asp?VID=1&kat1=96&kat2=643&NID=4994
reiterrevue.de/ausbildung-und-praxis/gesundheit/aufgedeckt-so-schlafen-pferde-9639701.html
flexikon.doccheck.com/de/Spanns%C3%A4genkonstruktion_(Veterin%C3%A4rmedizin)
equimondi.de/magazin/ausbildung-von-pferd-reiter/detailansicht/news///die-hankenbeugung/
cavallo.de/medizin/gefaehrlicher-schlafmangel-bei-pferden-inklusive-test/
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