Die Schur von Schafen hat eine lange Tradition. Über Jahrhunderte sicherte das Handwerk vielen Menschen ihr Einkommen. Heute sind es lediglich die Länder Australien und Neuseeland, in denen Schafscherer allein mit dem Scheren von Schafen ihren Lebensunterhalt verdienen – wohlgemerkt unter Verwendung anderer Werkzeuge als ihre Vorgänger vor zweihundert Jahren.
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Das Baden der Schafe
Zu früherer Zeit wuschen Schafscherer die Schafe, bevor sie Hand an deren Wolle legten. Hierzu trieben sie sie in einen aufgestauten Bach oder Fluss, in welchem die Tiere eine kleine Strecke schwimmend zurücklegen mussten. Nicht selten wurde die gesamte Familie für dieses Spektakel, das eine Vorreinigung der Wolle zum Ziel hatte, eingespannt. Auf Eichenfässern im Flusswasser stehend, wuschen die Schafscherer mit bloßen Händen sowohl den Rücken, Bauch als auch den Kopf der Schafe. Ebenfalls bis in die 1950er Jahre war es üblich, Schafe in einer großen Wanne mit Aschenlauge zu baden, um in der Wolle lebende Parasiten wie Schafläuse, Zecken und Sandläuse zu bekämpfen. Viele starke Hände waren nötig, da sich die Schafe diese Prozedur nicht immer einfach so gefallen ließen. Je kräftiger die Sonne schien, desto schneller war das Wollkleid wieder trocken. Synthetisch hergestellte Reinigungsmittel, die leicht auf den Rücken der Schafe aufzutragen waren und sich gut im Wollvlies verteilten, lösten die Aschenlauge in den 1990er Jahren ab.
Die Handschere
Das wichtigste Werkzeug der Schafscherer war einst die einteilige Schafschere, bei deren Verwendung die gesamte Hand arbeitet, indem sie die Schere zudrückt, wieder in die Ausgangslage rücken lässt und erneut zudrückt. In der Regel kam sie zweimal im Jahr zum Einsatz. Der ersten Schur im April folgte je nach Rasse eine zweite im September. Während das Schaf während der Schur des Rückens zumeist auf allen Vieren stand, legten die Schafscherer das Tier zum Scheren der Bauchpartie auf einen ‚Scherbock‘ genannten Tisch. Damit das Tier still hielt, wurden dessen Vorder- und Hinterläufe entweder festgehalten oder mit Stricken zusammengebunden. Häufig waren es Frauen, die – auf dem Boden sitzend und das Schaf vor ihnen liegend – diese körperlich anstrengende Tätigkeit verrichteten. Wichtig war, das Tier mit der aus zwei Klingen und einem Federbügel bestehenden Handschere nicht zu verletzen und die Wolle möglichst als zusammenhängendes Stück, dem Vlies, zu scheren.
Die elektrische Schermaschine
Mit der Erfindung der elektrischen Schermaschine gegen Ende der 1940er Jahre übernahmen Männer das Schafe scheren. Im Gegensatz zur Schur mit der manuellen Schere gelingt die Schur mit der Maschine deutlich schneller. So brauchen erfahrene Schafscherer nur wenige Minuten, bis ein Schaf komplett geschoren ist. Zudem verbleibt weniger Wolle am Schaf.
Bodenschurtechnik
Angewandt wird heute die Bodenschurtechnik, bei welcher der Schafscherer das Schaf nicht auf einer Bank oder einem Tisch, sondern auf dem Boden schert. Dazu wird es zunächst sanft auf den Rücken gedreht und in eine bequeme Position gebracht. Nachdem der Bauch geschoren wurde, werden die Innenseiten der Hinterbeine und anschließend das linke Hinterbein sowie der Schwanz von Wolle befreit. Nun wird die Wolle von Brust, Nacken und Kinn entfernt. Über die linke Schulter, den Rücken und die rechte Schulterseite wechselt der Schafscherer mit dem Schurgerät zum rechten Hinterbein als letztem Schritt der Schur. Idealerweise fällt die Wolle als Vlies vom Körper des Schafes.
Ein professioneller Schafscherer zeichnet sich dadurch aus, dass das zu scherende Tier ihm schnell vertraut, sodass unnötiger Stress sowie Verletzungen sowohl am Schaf als auch an der Person vermieden werden. Unerlässlich sind scharfe Klingen, die im Fall der Fälle leicht durch neue Klingen zu ersetzen sind. Mit gekonnten Griffen und Bewegungen führt der Schafscherer das Schurgerät sachgemäß über den Schafskörper, sodass weder das Tier noch die erhaltene Wolle Schaden nehmen, und letztere im Verkauf einen guten Preis erzielt.
Quellen:
https://www.berufsschaefer.de/content/185/66/schaefergeschichten
http://www.volkskundemuseum.it/download/Wolle_Schafschur_GS-dt.pdf
https://www.freilichtmuseum-beuren.de/gut-zu-wissen/museumsarbeit/schafschere/