Die Zahl der Wölfe nimmt ständig zu. Nicht nur in Norditalien, wo sie seit Jahr und Tag Schlagzeilen liefern, sondern auch in Deutschland. Tierschützer freuen sich darüber. Wem aber sein eigenes Tier am Herzen liegt, der betrachtet die wachsende Population eher zwiegespalten. Denn der Wolf steht unter Naturschutz, Abschüsse bedürfen einer Sondergenehmigung. Zwar gehören größere Haus- und Nutztiere wie Rinder und Pferde nicht vorrangig zum Speiseplan der Wölfe, mit der Bildung von stärkeren Rudeln steigt jedoch nach Ansicht der Fachleute die Gefahr, dass auch diese Tiere einem Riss zum Opfer fallen könnten.
Inhaltsverzeichnis
Wie viele Wölfe und Rudel wurden 2022 in Deutschland gezählt?
Unterschiedliche Organisationen haben sich zur Aufgabe gemacht, die Population der Wölfe und die durch sie verursachten Schäden zu kartieren. Dazu zählen unter anderem der BUND Naturschutz, die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf, kurz DBBW oder das Wildtiermanagement Niedersachsen mit Wolfsmonitoring.com. Zwar weichen die Angaben zum Bestand und den Rissen teils voneinander ab, insgesamt ergibt sich jedoch ein brauchbares Bild davon, wo Pferde, andere Haustiere und Nutztiere gefährdet sein könnten.
Wurde noch im Jahr 2000 ein einzelner Wolf gelistet, waren es zum Jahresende 2022 bereits 226 Tiere. Sie bildeten laut Angaben des DBBW 161 Rudel. Da bei Wölfen der Grundsatz „gemeinsam stark“ gilt, liegt die Vermutung nah, dass auch die Risse größerer Tiere steigen könnten. Umso wichtiger ist es, das fast zwei Jahrzehnte Versäumte nun von Grund auf und umfassend nachzuholen, nämlich den Schutz aller überwiegend im Freien lebenden Nutztiere.
Was sind die natürlichen Beutetiere der Wölfe?
Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, kurz BMUV, ernährt sich der Wolf zu 90 Prozent von Reh-, Rot- und Schwarzwild. Auch Hasen und Kaninchen sind bevorzugte Wildbeute. Wildschweinen, mit Ausnahme von Frischlingen, gehen Wölfe lieber aus dem Weg. Genauso den adulten Hirschen. Bei den Nutztieren sind Schafe am meisten gefährdet. Oft geraten sie beim Anblick eines Wolfes oder gar eines Rudels in Panik, was sie zur leichten Beute macht.
Aus dem Trentino wird in den letzten Jahren immer wieder berichtet, dass auch größere Hunde den Wölfen zum Opfer fallen. Eines der neuesten Vorkommnisse war Mitte März 2023 die Tötung eines Schäferhundes, der sich einem Rudel entgegengestellt hat. Die ebenfalls zur Bewachung der Schafe eingesetzten Maremmani blieben innerhalb der Umzäunung, sie wurden nicht angegriffen, ebenso wenig die Schafe.
Sind Pferde durch Wölfe gefährdet?
Adulte Tiere haben in der Regel wenig zu befürchten, denn Wölfe suchen sich einfache Gegner aus. Fohlen und Ponys können durchaus Übergriffen durch Rudel zum Opfer fallen. Haus- und Nutztiere scheinen auch saisonal unterschiedlich gefährdet zu sein. Dies erklären sich Fachleute mit der Wurfzeit, die zu einem veränderten Streifverhalten führt. Dass im Winter die Angriffe auf Haustiere häufiger auftreten, könnte auch eine Ursache darin haben, dass sie bei hohem Schnee leichter zu erbeuten sind als Wildtiere.
Im Sommer meiden Wölfe die Nähe der Besiedlungen eher, da dort deutlich mehr Lebendigkeit als in den kalten Wintermonaten herrscht. Zudem sind nun die Jungtiere der frei lebenden Arten und die teils geschwächten Muttertiere leicht zu erbeuten. Gebären Rinder und Pferde bei natürlicher Haltung im Freien, könnten sich hier vermehrt Wölfe einfinden. Sie werden durch die Gebärlaute und den Blutgeruch angelockt. Wer als Pferdebesitzer diesen Erkenntnissen Rechnung trägt und daraus resultierend auf einen bestmöglichen Schutz seiner Tiere achtet, tut ihnen Gutes.
Warum gibt es amtliche Empfehlungen zur Prävention generell für Schafe, Ziegen und Gehegewild, aber weniger für Pferde?
Schafe, Ziegen und Gehegewild werden den Nutztieren zugeordnet, Pferde dagegen weitgehend als Hobby betrachtet. Reiter haben eine weitaus kleinere Lobby in Sachen Wolfsschutz als Schafsbesitzer. Pferdebesitzer sind also immer noch mehr oder weniger sich selbst überlassen. Nichtsdestotrotz machen sich Tierärzte, Reiterverbände und andere Fachleute zunehmend Gedanken, wie auch künftig verletzte und tote Tiere weitgehend vermieden werden können.
Wünschenswert wäre es, wenn es bei den verhältnismäßig geringen Schäden durch Wolfsangriffe bliebe. Der DBBW listet für 2021 die Wolfsschäden für „andere Tiere“, zu denen laut dieser Statistik auch Pferde, Hunde etc. gehören, mit 1,2 Prozent aller Risse auf.
Ausnahmen bestätigen, was Regel werden sollte – Mögliche Förderungen
Wegweisender Vorreiter in Sachen Prävention und Förderung von wolfsabweisenden Elektrozäunen für Pferde ist das Land Nordrhein-Westfalen. Zwar gilt dies aktuell nur für das 140 Quadratkilometer große Streifgebiet (Hünxe, Bottrop, Oberhausen, Dinslaken, Dorsten, Schermbeck, Voerde/Niederrhein und Wesel) des sogenannten „Schermbecker Wolfsrudels“ und das zurzeit befristet bis zum 31.12.2023, aber genau hier wird die erstmalige Optimierung von Standartschutzzäunen für Pferde zur Wolfsabwehr inklusive Zubehör bereits gefördert.
Förderungen für Standartschutzzäune gibt es für:
- Kleinpferde mit einem Stockmaß bis 148 cm
- Pferde mit Fohlen (bis zu einem Alter von einem Jahr)
- Jungpferde (bis maximal drei Jahre)
Ein für diese Tiere anzulegender Standartschutzzaun muss ein Festzaun sein, mindestens fünf Jahre zweckgebunden werden und folgende Bedingungen erfüllen:
- Er muss mindestens 5 Litzen mit einer Gesamthöhe von mindestens 90 cm aufweisen.
- Der Zaun muss zudem vollständig geschlossen, elektrifizierbar von Seil/Band umgeben sein. Auch das Koppeltor muss geschützt werden.
- Die Litzenabstände sind folgende: 1. Litze maximal 20 cm über dem Boden, 2. und 3. Litze jeweils 20 cm über der darunterliegenden, die 4. Litze sollte 25 cm über der dritten liegen und die 5. Litze maximal 30 cm über der vierten.
Des Weiteren muss ein langlebiges und gut leitendes Litzenmaterial verwendet werden. Das Weidezaungerät muss mit mindestens zwei Joule und 2500 Volt ausgestattet sein und eine gute Erdung aufweisen. Auch ist ein Abstand zu eventuellen Einsprunghilfen für den Wolf von vier Metern einzuhalten. Selbst die Uferseite von Gräben oder Gewässern ist zu berücksichtigen. Unter solchen Bedingungen muss eine 6. Litze angebracht werden, die maximal 30 cm über der fünften zu positionieren ist.
Höhe der Förderung
„Im Rahmen der Präventionsmaßnahmen werden 100 % der Kosten für die Optimierungen und Neuanschaffungen von Schutzzäunen nebst Zubehör zur Erreichung des wolfsabweisenden Grundschutzes in einem Wolfsgebiet, einem Wolfsverdachtsgebiet sowie in der umgebenden Pufferzone und die Anschaffung und Ausbildung von geeigneten Herdenschutzhunden in einem Wolfsgebiet gefördert. Die Bagatellgrenze für die Förderung von Präventionsmaßnahmen beträgt 200 € Zuwendung.“
Wo ist der Antrag zu stellen?
Der Antrag ist nach dem von der Bewilligungsbehörde vorgegebenen Muster beim Geschäftsführer der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragter im Kreis einzureichen.
Die Antragstellung erfolgt unter der von der Landwirtschaftskammer vergebenen Unternehmernummer. Sofern noch keine Unternehmernummer für das antragstellende Unternehmen existiert, ist diese mit dem Formular ‚Antrag auf Erteilung einer Unternehmernummer bei der Landwirtschaftskammer NRW‘ bei der zuständigen Kreisstelle zu beantragen. Du musst lediglich mit deinem Personalausweis und deiner EC-Karte persönlich in einer Zweigstelle vorstellig werden, um eine Unternehmernummer zu beantragen.
Bitte erkundige dich vorher, ob deine Tiere in einem der o.g. Gebieten leben, und wende dich an deine zuständige Landwirtschaftskammer, denn es gibt regionale Unterschiede.
GUT ZU WISSEN:
|
Weitere Informationen sind im Merkblatt Förderung Herdenschutzzaun Pferde zu finden:
https://www.landwirtschaftskammer.de/foerderung/formulare/merkblaetter/mb-wo-foederung-pferd.pdf
Auch Bayern ermöglicht die Förderung einer zusätzlichen Elektrifizierung, einer Erhöhung des Zauns oder beispielsweise eine Ergänzung des Untergrabungsschutzes für Kleinpferde und Ponys, Stuten mit Fohlen sowie Jungpferde unter 30 Monaten.
https://www.stmelf.bayern.de/mam/cms01/agrarpolitik/dateien/m_hwolf.pdf
Niedersachsen und Hessen räumen ein, dass Herdenschutzmaßnahmen für Pferde und Rinder im Einzelfall möglich sind. Allerdings müssen dafür bereits bestätigte Wolfsrisse stattgefunden haben.
Weitere sinnvolle Schutzmaßnahmen in der Pferdehaltung
Empfohlen werden neben den allgemeinen Regeln, die für die Freiland- und Offenstallhaltung sowie für die Weidegänge gelten, auch folgende Maßnahmen:
- verstärkte Weideaufsicht
- sinnvoller Zaunbau
- Verstärkung durch Elektrozaun
- Herdenschutzhunde
Was leisten Herdenschutzhunde im Kampf gegen den Wolf?
In Südosteuropa, Spanien, der Schweiz und in Italien haben sich Herdenschutzhunde seit langem als Abwehrkräfte gegen Wolfsangriffe bewährt. Einige dieser Länder fördern die Haltung der Herdenschutzhunde, kurz HSH, sogar finanziell.
Da Herdenschutzhunde ihre Aufgabe nur dann erfüllen können, wenn sie Tag und Nacht bei jeder Witterung bei der Herde sind, wurde ihr Einsatz aus Tierschutzgründen lange heftig diskutiert. Die Kritiker sahen die Notwendigkeit, die Tier nachts in Stallungen unterzubringen. Inzwischen hat sich dieser Aspekt erledigt, denn es wurde erkannt, dass den Hunden ein Unterstand genügt.
Nach wie vor in der Diskussion ist allerdings, wie sich der Einsatz gestalten könnte. HSH sind territorial. Wanderer werden in den Alpen oftmals von ihnen gestellt. In der Nähe eines Reiterhofes, der von vielen Menschen frequentiert wird, könnten dieselben Probleme auftreten. Geeignete Hunde zu finden und sie auszubilden, ist zudem ein Punkt, der nicht ohne Weiteres abgehakt werden kann. Hierzulande fehlen die Fachleute, auch müsste auf Pferdeweiden ein Reiter oder Betreuer die Aufgabe übernehmen, den Ausbildungsstand der Hunde auf hohem Niveau zu halten.
Bringt die verstärkte Weideaufsicht etwas?
Wo tagsüber viele Menschen sind, bleiben Wölfe eher fern. Dies hält sie jedoch nicht davon ab, in den ruhigeren Dämmerungsstunden oder nachts auf Beutefang zu gehen. Die Weide müsste rund um die Uhr bewacht werden, um effizient einschreiten zu können, falls sich Einzeltiere oder ein Wolfsrudel nähern. Hier stellt sich ebenfalls die Frage, wer von den Pferdebesitzern diese Arbeit leisten kann oder ob sich eine zuverlässige Kraft findet, die dies bezahlbar übernehmen würde.
Wie hoch muss der Zaun sein?
Mitunter wird empfohlen, einen 1,20 Meter hohen Zaun zu errichten. Wer weiß, dass ein Deutscher Schäferhund diese Höhe aus dem Stand überspringen kann, bekommt Zweifel an dieser Empfehlung, wobei Wölfe in der Regel nicht über Zäune springen. Doch sind 1,50 Meter Zaunhöhe auf jeden Fall sicherer. Ein Eingraben im Erdreich ist ein zusätzliches Muss, damit der Zaun nicht unterlaufen werden kann. Denn der Wolf orientiert sich an seiner Nase und sucht eher nach Löchern im Zaun, während er ihn abläuft, als dass er ihn überspringt.
Dennoch: Sind im Gelände sogenannte Einsprunghilfen wie höher gelegene Absätze, Steinvorsprünge oder Ähnliches vorhanden, sollte der Zaun an dieser Stelle erhöht werden. Noch wichtiger sind allerdings die Stromlitzen. Die Empfehlung lautet, dass mindestens vier Litzen in den Höhen 20, 40, 65 und 90 cm gezogen werden. Eine zusätzliche Reihe an der Oberkante des Zaunes bei 120 cm wird von einigen Fachleuten befürwortet.
Wichtig ist die Leitfähigkeit der Stromlitzen sowie eine fachgerechte Erdung des Weidezaungerätes. Ein Stromschlag, der einen Wolf abhalten soll, sein anvisiertes Beutetier zu jagen, muss sitzen, damit er keinen weiteren Versuch wagt, den Zaun zu überwinden. Im Gedächtnis des Wolfes gespeichert, besteht nun die Hoffnung, dass er künftig diese Weiden meiden wird.
Weidezaungeräte sollten deshalb stark sein. Unter allen Bedingungen sollten sie eine Zaunspannung von mindestens 4000 bis 5000 Volt liefern können. Dazu gibt es Empfehlungen von mindestens 3 Joule bis 15 Joule Impulsenergie, je nach Zaunlänge.
MERKE:
|
Wie der Herdenschutz mit Elektrozäunen funktioniert, erfährst du hier im folgenden Video:
Hier findest du den passenden Wolfschutzzaun zur Wolfsabwehr und weitere Weidezaun und Elektrozaun Artikel.
Deutschlandweite Informationszentren plus Wolfsmanagement
In Deutschland unterhält jedes Bundesland sein eigenes Zentrum, in dem sich Fachleute sowohl um das Monitoring der Wölfe kümmern, den Herdenschutz und die Förderung von Präventionsmaßnahmen wie fachgerechten Weidezäunen sowie Schadensausgleichszahlungen.
Menschen, die sich mit dem Wolf beschäftigen wollen, können sich in den Landesämtern für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz zu Wolfsberaterinnen und -beratern ausbilden lassen, um der Bevölkerung ein unaufgeregtes Leben mit dem Wolf zu erleichtern.
Utopie oder echte Alternative?
Wie schon erwähnt, ernährt sich der Wolf laut BMUV zu 90 Prozent von Reh-, Rot- und Schwarzwild. Dieser Bestand ist in Deutschland sehr hoch, zu weilen sogar ansteigend.
Könnte es eine Option sein, die menschlichen Jäger ihres Amtes zu entheben, um den Wölfen ihre natürliche Beute nicht länger vor der Nase wegzuschießen? Die Populationen von Kaninchen/Hasen, Rehen und Wildschweinen würde sich auf natürliche Weise regulieren. Durch den Wolf. Lässt man der Natur ihren eigenen Weg, können sich Beutewild und Wolf auf perfekte Weise ergänzen, ohne, dass Nutz- und Haustiere geopfert werden müssen.
Im Yellowstone Nationalpark (USA) ist das zum Alltag geworden. Seit seiner erneuten Ansiedelung vor fast 30 Jahren hat es der Wolf geschafft, die Wapitibestände des Nationalparks zu gesunden und zu stabilisieren. In Jahren geringer Vegetation verhungern die Hirsche nicht mehr, da ihr Bestand heute eine gesunde Basis hat.
Auch die Vegetation des Parks verdankt dem Wolf neues Wachstum. Wo übermäßige Elch- und Bisonherden ungehindert platttrampelten, was an jungem Baumgrün sprießen wollte, hat der Wolf es geschafft das Ökosystem positiv zu beeinflussen. Weniger Elche bedeuten hier mehr Beeren für Bären und eine wachsende Baumvegetation für Vögel und andere Wildtiere.
Quellen:
dbb-wolf.de/wolfsmanagement/herdenschutz/schadensstatistik
trentotoday.it/cronaca/lupi-attaccano-uccidono-cane-pastore-terragnolo.html
wolfsmonitoring.com/nutztierrisse
lgl.bayern.de/tiergesundheit/tierschutz/tierhaltung_nutztiere/et_herdenschutzhunde.htm
bmuv.de/faq/fressen-woelfe-nur-schafe-ziegen-und-kuehe#:~:text=Der%20Wolf%20ern%C3%A4hrt%20sich%20zu,und%20sind%20daher%20nicht%20gef%C3%A4hrdet.
bfn.de/aktuelles/wolfsverursachte-schaeden-aktuelle-daten-veroeffentlicht
vfdnet.de/index.php/ak-umwelt/herdenschutz/11840-studien-herdenschutz
lfl.bayern.de/itz/herdenschutz/243881/index.php
patura.com/App/WebObjects/XSeMIPSPatura.woa/cms/page/locale.deAT/pid.102.921.1160/Wolfsabwehr.html
hlnug.de/themen/naturschutz/tiere-und-pflanzen/arten-melden/wolfszentrum
nlwkn.niedersachsen.de/wolfsberater/wolfsberaterinnen-und-wolfsberater-in-niedersachsen-45574.html
nationalgeographic.de/umwelt/2020/07/woelfe-die-super-oekologen-des-yellowstone
br.de/berge/woelfe-im-yellowstone-nationalpark100.html
Bildnachweis:
© Pixabay / Wilda3