Viele Pferde haben weiße Flecken oder vereinzelte weiße Haare im Fell. Diese sogenannten Stichelhaare sind oft genetisch bedingt und harmlos. Allerdings können weiße Stichelhaare auch ein Hinweis auf einen unpassenden Sattel sein. In einigen Fällen kann eine Lebererkrankung oder Stoffwechselstörung die Ursache sein.
In diesem Artikel beantworten wir dir folgende Fragen rund um Stichelhaare beim Pferd:
Welche Gene führen zu Stichelhaarigkeit? Wann weisen Stichelhaare auf ein gesundheitliches Problem des Pferdes hin? Und was kann man als verantwortungsbewusster Pferdehalter tun, um sein Pferd gesund zu halten?.
Inhaltsverzeichnis
Welche Ursachen gibt es für die Stichelhaarbildung?
1. Genetisch bedingte Stichelhaare
Welche Gene sind beteiligt und wie werden sie vererbt?
Die Fellfarbe eines Pferdes wird durch die Kombination verschiedener Gene bestimmt. In den letzten Jahren konnte die Genforschung eine Reihe an Genen identifizieren, die an der Farbgebung bei Pferden beteiligt sind.
Daher weiß man heute, dass Pferde mit dem Roan Gen eine genetisch bedingte Einstreuung von weißen Stichelhaaren im Fell aufweisen. Stichelhaarige Pferde mit dem Roan Gen zeigen bereits als Jährlinge die Anzahl an weißen Stichelhaaren, die sie ein Leben lang haben werden. Das heißt, die Ausprägung an weißen Stichelhaaren im Fell ändert sich im Lauf des Lebens nicht mehr.
Wie entstehen genetisch bedingte Stichelhaare beim Pferd?
Bei Pferden mit Roan Gen fehlen in einigen Haarwurzeln die farbstoffbildenden Zellen, die Melanozyten. Deshalb bleiben die Haare weiß. Zu diesen Pferden zählen auch Schecken. Bei ihnen wurden bereits im Mutterleib zu wenig Menoblasten gebildet. Das sind Zellen, die als Vorstufe der Melantozyen gelten. Das Pigment Melanin konnte somit nicht gebildet werden, die Haare erscheinen weiß, da die pigmentgebende Hornschicht des Haars durchsichtig bleibt.
Bei Schimmeln ist es tatsächlich eine Gen-Manipulation. Man spricht hier vom Grey-Gen. Im Fohlenalter sind sie meist noch schwarz und verlieren im Laufe des Lebens mehr und mehr die Haarfärbung. Grund dafür sind die Melanozyten, die absterben, was Unmengen an Stichelhaaren zur Folge hat – ein Schimmel entsteht.
Wie wird Stichelhaarigkeit bei Pferden vererbt?
Laut aktueller Studien sind Roans mischerbig. Das heißt, es ist nur eine Kopie des Gens vorhanden. Einige Experten gehen davon aus, dass reinerbige Roans nicht überlebensfähig sind. Allerdings gibt es unseres Wissens nach keine Studie, welche die gezielte Verpaarung zweier Pferde mit dem Roan Gen untersucht. Interessanterweise gibt es einige Quarter Horse Hengste der Hancock Blutlinie, deren Nachkommen alle weiße Stichelhaare haben. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Hengste reinerbig sein müssen. Eventuell entsteht die Stichelhaarigkeit der Hancock Blutlinie nicht durch das Roan Gen, sondern durch eine noch unbekannte Genmutation. Auch bei Norikern und Islandpferden könnte es reinerbige Roans geben. Weitere Forschung in diesem Feld ist nötig, um die Vererbung der Stichelhaarigkeit abschließend zu klären.
Welche anderen genetischen Faktoren können zur Stichelhaarigkeit führen?
Streng genommen sind nur Pferde mit dem Roan Gen Stichelhaarige. Die Häufigkeit des Roan Gens liegt allerdings bei unter 5 Prozent. Daher sind echte „Roans“ selten.
Mit diesen Fellfarben werden Roans häufig verwechselt:
- SchimmelUmgangssprachlich bezeichnet man auch nicht voll ausgefärbte Schimmel als stichelhaarig. Allerdings liegt dem Farbwechsel bei Schimmeln ein ganz anderes Gen zugrunde, nämlich das sogenannte Grey-Gen.
- SabinosAuch Sabinos weisen manchmal keine Ausprägung des typischen Scheckungsmusters auf, sondern lediglich eine Stichelhaarigkeit.
- RabicanosEin weiteres Gen, das zur Ausprägung von weißen Stichelhaaren führt, ist das Rabicano-Gen. Pferde, die dieses Gen tragen, haben weiße Stichelhaare im Bereich der Rippen und weiße Haare am Schweifansatz.4. Tigerschecken und Varnish RoanEine schwach ausgeprägte Tigerscheckung, die durch das LP-Gen hervorgerufen wird, kann sich als weiße Stichelhaare im Fell bemerkbar machen.
Das LP-Gen ist auch verantwortlich für den Varnish Roan. Im Gegensatz zum echten Roan nehmen die weißen Stichelhaare beim Varnish Roan im Laufe des Lebens zu.
2. Stichelhaare durch Schädigungen der Haarwurzel
Wie kommt es zu solchen Schäden?
In der Haarwurzel sitzen beim Pferd kleine Zellen, Melanozyten genannt, die den Farbstoff für das Pferdehaar produzieren. Diese Pigmentzellen sind sehr empfindlich. Wenn die Haarwurzel dauerhaft starkem Druck durch einen falsch sitzenden Sattel ausgesetzt ist oder mechanisch verletzt wurde, werden die Melanozyten zerstört. Die Folge ist, dass in die betroffenen Haare kein Farbstoff mehr eingelagert werden kann. Sie wachsen als weiße Stichelhaare nach.
Wie kann man die Schädigung der Haarwurzel verhindern?
1. Sitzt der Sattel richtig?
Als Pferdebesitzer sollte man regelmäßig prüfen, ob der Sattel dem Pferd noch passt. Denn der Körper des Pferdes verändert sich im Laufe seines Lebens. Oft sehr schnell, allein die verschiedenen Jahreszeiten können eine Gewichtszunahme oder -abnahme verursachen, die Muskulatur verändert sich je nach Training und Belastung … Das kann dazu führen, dass ein Sattel nicht mehr richtig sitzt. Wenn das Pferd unter dem Sattel ungleichmäßig verschwitzt ist, weist dies auf einen schlecht sitzenden Sattel hin, der das Gewicht nicht gleichmäßig auf den Pferderücken verteilt.
2. Der Reiter als Ursache
Selbstverständlich sollte man als verantwortungsbewusster Reiter darauf achten, dass zumindest die Sattellage sauber ist, die Satteldecke keinen Knick hat und der Sattel an der richtigen Stelle liegt. Auch das Nachgurten sollte nicht vergessen werden. Wenn der Sattel für das Pferd geeignet ist und er richtig aufliegt, kann auch ein falscher Sitz des Reiters oder ein zu hohes Gewicht die Ursache für weiß nachwachsende Haare sein.
3. Andere Gründe für den Farbverlust der Haare
Neben einer mechanischen Schädigung der Haarwurzeln durch zu viel Druck kann auch eine Verletzung oder Infektion der Haut die Pigmentzellen dauerhaft schädigen. In seltenen Fällen sterben die Melanozyten durch extreme Kälte ab.
3. Stichelhaare als Frühsymptom einer Lebererkrankung
Welche Rolle spielt die Leber bei der Haarbildung und wie kommt es zu stoffwechselbedingten Stichelhaaren?
Das Pferdehaar besteht aus speziellen Proteinverbindungen, die zum Großteil in der Leber gebildet werden. In der Haarwurzel befinden sich farbstoffbildende Zellen, die sogenannten Melanozyten. Mit der in der Leber gebildeten Aminosäure Tyrosin bilden diese Pigmentzellen unter Mitwirkung des Enzyms „Tyrosinase“ die Farbstoffe Eumelanin und Phäomelanin. Die Fellfarbe des Pferdes wird bestimmt durch das individuelle Verhältnis der beiden Farbstoffe. Das Pigment Eumelanin absorbiert nahezu das gesamte Licht und lässt das Fell dunkelbraun bis schwarz erscheinen. Der Farbstoff Phäomelanin sorgt für eine gelbe bis orangerote Färbung des Felles. Bei genetisch bedingten weißen Abzeichen fehlen die farbgebenden Melanozyten. Wenn der Leberstoffwechsel gestört ist, wird in der Leber nicht mehr ausreichend Tyrosin gebildet. Da die Melanozyten allerdings Tyrosin für die Pigmentbildung benötigen, kann es so zum Auftreten von weißen Stichelhaaren im Fell des Pferdes kommen. Allerdings ist das Auftreten weißer Stichelhaare nur eines der möglichen Symptome für eine Stoffwechselstörung der Leber beim Pferd.
WICHTIG:
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Welche Symptome gibt es bei einer Lebererkrankung des Pferdes?
Die Leber ist das zentrale Entgiftungsorgan des Pferdes und wiegt beim Warmblutpferd etwa 5 Kilo. Wie bei uns Menschen ist die Leber auch beim Pferd an zahlreichen Vorgängen wie der Verstoffwechselung von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen beteiligt. Zudem dient die Leber als Speicherort für zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben der Leber ist es nicht einfach, eine Lebererkrankung frühzeitig zu erkennen. Hinzu kommt, dass beim Pferd erst dann klinische Symptome auftreten, wenn die Leber bereits zu 70-80 Prozent geschädigt ist. Deshalb sollte man sein Pferd genau kennen und auf mögliche Verhaltensänderungen achten, die ein erster Hinweis auf eine Lebererkrankung sein können.
Mögliche Frühwarnsymptome auf eine Lebererkrankung beim Pferd:
- Wesensveränderungen (Mattigkeit bis hin zur Teilnahmslosigkeit sowie Nervosität oder Aggressivität)
- Unerklärbare Abnahme der Leistungsfähigkeit
- Weniger Appetit eventuell mit Gewichtsverlust
- Lichtempfindlichkeit
- Weiße Stichelhaare oder stumpfes Fell
Symptome bei fortgeschrittener Erkrankung der Leber:
- Hauterkrankungen (z.B. Ekzeme, Mauke, Pilzbefall)
- Verdauungsprobleme
- Muskelabbau und Muskelschwäche
- Veränderungen im Gangbild (steif und verspannt)
- Starkes Schwitzen schon bei geringer Belastung
Schwere Erkrankung:
- Gelbsucht (sichtbar an gelben Schleimhäuten)
- Dunkelfärbung des Harns
- Störung des zentralen Nervensystems im Endstadium der Erkrankung
Wenn man bei seinem Pferd mögliche Symptome einer Lebererkrankung feststellt, sollte man nicht zögern einen Tierarzt zu kontaktieren.
Weitere häufig gestellte Fragen zum Thema Stichelhaare beim Pferd (FAQ):
Welche anderen Weißfleckungen kommen bei Pferden vor?
Weiße Stichelhaare sind abzugrenzen von anderen Weißfleckungen wie dem Pinky Syndrome oder dem Arabian Fading Syndrome, bei denen sich das Fell der betroffenen Pferde zunehmend aufhellt. Relativ selten treten Bird Catcher Spots auf, die nach dem 1833 geborenen Englischen Vollblüter Irish Birdcatcher benannt sind. Das sind genetisch bedingte weiße Flecken im Fell, die hauptsächlich bei Füchsen oder Aufgehellten vorkommen. Bird Catcher Spots können bereits von Geburt an vorhanden sein oder erst im Alter sichtbar werden. Bei älteren Pferden kommt es oft zu einem altersbedingten Ergrauen im Kopfbereich (Canities senilis).
Was ist der Unterschied zwischen Stichelhaaren und Hungerhaaren?
Es ist wichtig, Stichelhaare von sogenannten Hungerhaaren zu unterscheiden. Das sind einzelne längere Haare, die meist unterhalb der Ganasche am Unterbauch oder am Hals des Pferdes auftreten. Die Hungerhaare kann man sich in etwa so vorstellen, wie die Schnurrhaare einer Katze. Sie treten meistens im Winter auf und sind in dem längeren Winterfell manchmal nicht gleich auf den ersten Blick erkennbar. Hungerhaare können auf eine Stoffwechselstörung durch einen Nährstoffmangel hinweisen. Daher sollte man einen Tierarzt kommen lassen, wenn man bei seinem Pferd Hungerhaare entdeckt.
Fazit zum Thema Stichelhaare beim Pferd
Weiße Stichelhaare können eines von vielen Frühwarnsymptomen für eine Lebererkrankung des Pferdes sein. Nicht pigmentierte Haare können allerdings auch harmlose genetische Ursachen haben oder durch eine Schädigung der Haarwurzeln hervorgerufen werden. Als verantwortungsbewusster Pferdebesitzer ist es wichtig, Risikofaktoren für die Entwicklung einer Lebererkrankung zu reduzieren. Außerdem sollten regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen durch einen Tierarzt wahrgenommen werden. Sollten Symptome beim Pferd auftreten, die auf eine Lebererkrankung hinweisen könnten, ist es ratsam, eine fachkundige Diagnose durch einen Tierarzt durchführen zu lassen. Durch ein frühzeitiges Erkennen der zugrunde liegenden Ursache kann in vielen Fällen ein Fortschreiten der Lebererkrankung verhindert werden.
Quellen:
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