Wildpferde: Diesen Begriff verbinden wir mit unendlicher Weite, grenzenloser Freiheit und ungezähmten Pferden, die durch riesige Graslandschaften galoppieren. Tatsächlich ist dieses Bild auch heute noch in vielen Ländern der Welt zu beobachten. Doch handelt es sich dabei tatsächlich um echte Wildpferde?
Inhaltsverzeichnis
Was ist der Unterschied zwischen Wildpferden und wild lebenden Pferden?
Die meisten Tiere, die heute als Wildpferde bezeichnet werden, sind streng genommen gar keine. Es handelt sich dabei vielmehr um frei lebende und verwilderte Hauspferde beziehungsweise um deren Nachkommen. Somit ist die Bezeichnung Wildpferde in der Umgangssprache ein Sammelbegriff für verschiedene Pferderassen, die mehr oder weniger ohne menschliche Einwirkung und somit autark in der freien Natur leben. Bei echten Wildpferden gemäß wissenschaftlicher Definition handelt es sich dagegen um die ursprünglichen und nicht domestizierten Formen unserer heutigen Hauspferde. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft gibt es heute nur noch eine echte Wildpferderasse: das Przewalski-Pferd, das auch als Mongolisches Wildpferd bezeichnet wird.
Welche Wildpferde leben in Deutschland?
Auch bei uns in Deutschland gibt es Pferde, die frei und weitestgehend unabhängig in der Natur leben. Am bekanntesten sind die Dülmener Wildpferde, es gibt aber auch noch die Liebenthaler und Konik Wildpferde.
Dülmener Wildpferde
Schon 1316 wurde die Herde wild lebender Pferde im Merfelder Bruch nahe der nordrhein-westfälischen Stadt Dülmen erstmals urkundlich erwähnt. Durch die fortschreitende Kultivierung wurde ihr Lebensraum im Laufe der Zeit jedoch immer kleiner. Um die Herde vor der Ausrottung zu schützen, brachte sie der Herzog von Croy im späten 19. Jahrhundert auf sein Land. Mittlerweile leben die mehr als 300 Pferde frei in einem circa 400 Quadratmeter großen Reservat, das aus Heideflächen, Nadel- und Eichenwald sowie aus Moor besteht. Zugefüttert wird nur in besonders strengen Wintermonaten. Die sogenannte Wildpferdebahn ist mittlerweile ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet.
Was hat es mit dem Dülmener Wildpferdefang auf sich?
Seit 1907 findet jedes Jahr am letzten Samstag im Mai der Dülmener Wildpferdefang statt. Dabei werden ausschließlich die einjährigen Hengste per Hand aus der Herde gefangen und anschließend versteigert. Die traditionsreiche Veranstaltung ist viel mehr als nur eine Touristenattraktion. Das Einfangen der jungen Hengsten trägt dazu bei, die Herde zu regulieren und zu schützen, denn so werden Rivalitäten unter den Tieren verhindert. Ansonsten würde es unter den geschlechtsreif gewordenen Hengsten nämlich zu massiven Rangkämpfen kommen. Die Dülmener Pferde gewöhnen sich nach dem Verkauf schnell an ihr neues Zuhause. Sie haben einen gutmütigen, gelassenen und genügsamen Charakter und eignen sich beispielsweise gut als Reitpferde für Kinder.
Liebenthaler Wildpferde
Die Liebenthaler Wildpferde sind hierzulande nur wenig bekannt. Sie entstanden aus der Kreuzung von Koniks und Norwegern, sind 130 bis 145 Zentimeter groß und in der Schorfheide bei Liebenthal in Brandenburg zu Hause. Der Herde, die rund 100 Tiere umfasst, stehen etwa 80 Hektar Land zur Verfügung. Aufgrund der verhältnismäßig kleinen Fläche wird im Winter grundsätzlich zugefüttert. Dennoch leben die Pferde vollkommen in Freiheit. Die Jährlingshengste werden nicht herausgefangen, allerdings müssen zur Regulierung der Herde manchmal überzählige Pferde verkauft werden.
Konik Wildpferde
Die 130 bis 140 Zentimeter großen Koniks stammen ursprünglich aus dem mittel- und osteuropäischen Raum. Die robusten Ponys gelten als menschenfreundlich, gutmütig und ruhig. Noch vor einiger Zeit ging die Wissenschaft davon aus, dass es sich bei Koniks um eine überlebende Form osteuropäischer echter Wildpferde handelt, genetische Studien konnten dies mittlerweile aber widerlegen, denn die Tiere teilen sich die DNA mit verschiedenen Hauspferde-Rassen. Koniks werden gerne zur Erhaltung von Naturschutzgebieten eingesetzt, um beispielsweise den Bewuchs zu begrenzen. Sie können ganzjährig im Freien leben und sind selbst bei Schnee nur selten auf eine Zufütterung angewiesen. Eine Herde von circa 50 Koniks lebt beispielsweise im Geltinger Birk an der schleswig-holsteinischen Ostsee. Hier steht ihnen ein 450 Hektar großes Brach- und Weideland zur Verfügung. Da jedes Jahr bis zu 15 Fohlen geboren werden, gehen zwischendurch immer wieder einige junge Tiere an private Käufer oder andere Naturschutzprojekte. So wird eine Überpopulation vermieden. Einmal im Jahr werden die Tiere in einer großen Anlage eingefangen, um die Fohlen mit einem Mikrochip auszustatten.
Weitere Lebensräume und „Einsatzorte“ der Koniks sind die Schmidtenhöhe bei Koblenz und das Brönnhof-Areal bei Schweinfurt.
Im 5600 Hektar großen, niederländischen Naturentwicklungsgebiet Oostvaardersplassen lebt die größte Konik-Population: nämlich rund 1000. Sie sollen – ebenso wie die hier ebenfalls angesiedelten Heckrinder und Rothirsche – die großen Flächen dauerhaft und ohne menschliches Einwirken offen halten.
Wildpferde in Schweinheim
In einem Naturschutzgebiet in Schweinheim sind auf einem Naturerlebnispfad Przewalski-Pferde in freier Wildbahn zu bewundern. Ursprünglich handelt es sich bei dem Gebiet in Aschaffenburg Schweinheim um ein Truppenübungsplatz, der in ein Naturschutzgebiet verwandelt wurde. Die Pferde erweisen sich als hilfreiche Landschaftspfleger. Sie sorgen mit ihrem natürlichen Fressverhalten dafür, dass das Gelände nicht zu stark bewuchert wird. Die kontrollierte Haltung in diesem Naturschutzgebiet ist exemplarisch für die Feststellung, dass von wirklichen Wildpferden keine Rede sein kann. Dieser naturverbundene Ansatz in Schweinheim leistet aber einen wichtigen Beitrag, um den Bestand an Wildpferden zu schützen und sogar für Nachwuchs zu sorgen. 2021 haben 8 Wildpferd-Fohlen die Begeisterung der Besucher auf sich gezogen.
Welche Wildpferde leben in Europa?
Exmoor Ponys
Im Süden Englands leben nur noch wenige Herden Exmoor Ponys wirklich frei und wild. Sie sind neben dem Mongolischen Wildpferd die ursprünglichste Rasse und mit 1,30 Metern ausgesprochen klein. Pferdefreunde überwachen die Herden zwar, da der Bestand aber extrem klein ist, scheint ein langfristiges Überleben fraglich. Dazu kommt, dass die Population nicht mehr wirklich rein ist und sich bereits mit anderen Rassen vermischt hat.
Camargue Wildpferde in Südfrankreich
Im Süden Frankreichs, zwischen Rhone-Delta und Mittelmeer, leben die weißen Camargue Wildpferde, die längst zu einem Aushängeschild der gesamten Region geworden sind. Camargue Pferde leben halbwild, so wie es für alle hier vorgestellten Rassen charakteristisch ist. Mit einem Stockmaß zwischen 135 und 150 cm sind Camargue Wildpferde vergleichsweise klein: Ihr weißes Fell und ihr stolzes Auftreten üben seit jeher eine starke Faszination auf den Menschen aus. Ihr Körperbau ist robust und so stark, dass sie auch einen Erwachsenen tragen könnten.
Die Geschichte der Camargue Pferde reicht weit zurück: Schon Julius Cäsar hat laut Überlieferungen oft von diesen schönen Schimmeln geschwärmt. Daher ist von einer der ältesten Pferderassen der Welt die Rede. In halbfreier Wildbahn werden stauende Beobachter nicht nur die weißen Schönheiten sehen, sondern eventuell auch Fohlen mit einem eher dunkelbraunen Fell. Sie kommen nämlich mit einem dunkelbraun bis schwarzen Fell zur Welt. Erst mit dem 10. Lebensjahr etwa präsentieren sie sich in weißer Pracht. Die scheinbar wilden Tiere gehören oft Pferdezüchtern in der Camargue. Sie haben aber sehr viel Freiraum, sodass sich nicht selten ein Camargue Pferde am Strand beobachten lässt.
Giara di Gesturì Wildpferde auf Sardinien
Hierbei handelt es sich um Wildpferde, die auf der Hochebene Giara auf Sardinien in freier Wildbahn leben, wodurch sich die Namensgebung erklärt. Die Hochebene befindet sich im Süden Sardiniens, etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt Cagliari entfernt. Experten bezeichnen diese Wildpferde als die letzten ihrer Art in Europa. Es handelt sich um kleine Pferde mit langer Mähne, die sich optimal an die Lebensbedingungen in der Hochebene angepasst haben. Ihr Fell ist dunkelbraun bis schwarz. Täler in der Hochebene fungieren in den heißen Sommermonaten als Wasserreservoir, sodass die Giara di Gesturì Wildpferde genügend Trinken vorfinden. Die kleinen Wildpferde sind generell eher scheu, sodass Besucher sie nur selten aus der Nähe zu Gesicht bekommen. Manchmal lassen sich aus der Ferne Pferdefamilien beobachten, die auf den weitläufigen Wiesen grasen
Welche weltweiten Wildpferde gibt es?
Wild lebende Pferde sind in vielen Teilen der Welt zu Hause. Darunter sogar die einzige echte Wildpferderasse.
Das mongolische Wildpferd
1969 wurde zum vorerst letzten Mal ein frei lebendes Przewalski-Pferd gesehen. Die Tiere lebten in der Mongolei, weswegen sie bis heute auch Mongolische Wildpferde genannt werden. Dass es sie heute trotzdem noch gibt, ist den zahlreichen Zuchtprogrammen zu verdanken. Diese verliefen so erfolgreich, dass die Pferde in den neunziger Jahren erstmals wieder ausgewildert werden konnten. Mittlerweile tummeln sich in den mongolischen Schutzgebieten wieder mehrere hundert Tiere. Ihren fast schon unaussprechlichen Namen verdanken die Przewalski-Pferde übrigens Nikolai Michailowitsch Przhevalsky, einem russischen Forscher, der im späten 19. Jahrhundert zahlreiche Expeditionen nach Zentralasien unternahm und die bis dahin nahezu unbekannten Tiere entdeckte. Die heutigen Nachzuchten aus den Zuchtprogrammen sind die letzten echten Wildpferde unserer Welt. Noch immer gelten sie als gefährdet. Auch in Deutschland leben Przewalski-Pferde, wenn auch nur halb wild und in kleinen Herden. Im brandenburgischen Wildpark Schorfheide beispielsweise und auch im Naturschutzgebiet Döberitzer Heide.
Das australische Wildpferd
Die sogenannten Brumbies vermehren sich in Australien rasant. Vor allem im Kosciuszko-Nationalpark. Sie gelten als invasiv, teilweise sogar als Plage und sollen eine Bedrohung für empfindliche Pflanzenarten darstellen. Dabei sind sie eigentlich nur die wilden Nachkommen von Hauspferden. Die wiederum wurden nach dem Goldrausch des 19. Jahrhunderts einfach freigelassen und sorgen bis heute für ordentlich Nachwuchs. Das Umweltministerium von New South Wales sah schon 2021 vor, den 14.000 Tiere umfassenden Bestand im Park auf 3000 zu reduzieren. Hauptsächlich durch Erschießen, aber auch durch Umsiedeln. Nur so könnten die gefährdeten Arten im Park geschützt werden.
Mustang Wildpferde
Der nordamerikanische Mustang gilt als Synonym für ein Wildpferd, ist aber keins. Immerhin waren seine Vorfahren klassische Hauspferde. Spanische Einwanderer brachten sie etwa im 16. Jahrhundert nach Amerika. Wie kein anderes Pferd steht der Mustang für Freiheit und Abenteuer. Er lebt noch heute in freier Wildbahn, etwa in Oregon und Nevada, die Bestände werden aber kontrolliert. Allerdings nicht durch Töten, sondern durch Einfangen und Registrieren. Darüber hinaus wird auf natürliche Selektion gesetzt, das heißt, nur die starken Tiere überleben und pflanzen sich fort. Aktuell leben in den USA etwa 50.000 wilde Mustangs in Herdenverbänden.
Namibisches Wildpferd
Nein, hier würde kaum jemand Pferde vermuten! Wer an Wildpferde in der ganzen Welt denkt, hat bestimmt keine Wüstenlandschaft als Lebensraum im Hinterkopf. Das namibische Wildpferd stellt ein in jeder Hinsicht besonderes Exemplar dar, das sich perfekt an einen schwierigen Lebensraum angepasst hat. Forscher vermuten, dass der Wechsel der Fellfarbe als wichtige Überlebensstrategie von Wildpferden anzusehen ist. Die wilden Pferde von Namibia leben in der Wüste von Namib bei Garub. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die robusten Wüstenpferde aus der ursprünglichen Rolle als Zucht- und Arbeitspferd ‚befreit‘ haben. Es handelt sich um verwilderte Hauspferde.
Bei diesen Wildpferden trifft der Begriff im Vergleich zu vielen Artgenossen am ehesten zu, denn sie leben unabhängig von Menschen in großer Freiheit. Diesen Wüstenpferden ist es gelungen, sich optimal an schwierigste klimatische Bedingungen anzupassen. Aber wie war das Überleben unter den extremen Klimabedingungen möglich?
Anfang des 20. Jahrhunderts kam es zu ersten Diamantenfunden, woraufhin große Sperrgebiete errichtet wurden. Diese dienten den Wildpferden als Schutzzone, in der sie mehrere Jahrzehnte mehr oder weniger ungestört in der Natur leben konnten. Ein Bohrloch, dass für die Wasserversorgung der Eisenbahnlinie genutzt wurde, entwickelte sich als Tränke zu einem lebenserhaltenen Aufenthaltspunkt in der Wüste. Heute ist es für viele Touristen in Namibia ein faszinierendes Schauspiel, die stolzen Wüstenpferde mit etwas Glück in ihrem freien Lebensraum beobachten zu können.
Quellen:
wildpferde.de/wildpferde/
die-pferderassen.de/index.html?/rassen/liebent.html
aunq.de/wildpferde/#Deutschland
geltinger-birk.de/weidetiere/wildpferde/
de.wikipedia.org/wiki/Konik
wildpferde-aschaffenburg.de
de.wikipedia.org/wiki/Oostvaardersplassen#Pflege
blog.wwf.de/wildpferde-fakten-przewalski-pferd/
pferde.de/magazin/camargue-pferd-7-fakten-ueber-die-halbwilden-aus-frankreich/
pferde.de/magazin/australien-new-south-wales-will-10-000-wildpferde-toeten/
de.wikipedia.org/wiki/Brumby_(Pferd)#Bestandsvermehrung
marc-lubetzki.de/exmoor-ponys
mustangpferde.de/mustangprofile/der-blm-mustang/
fundis-reitsport.de/blog/haltung/mustang-pferd-pferderasse/
american-mustang.de/american-mustang/was-ist-ein-american-mustang/
info-namibia.com/de/aktivitaeten-und-sehenswuerdigkeiten/fischfluss/wildpferde-der-namib
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