Unspezifische Lahmheit beim Pferd geht häufig auf einen Fesselträgerschaden zurück. Gerade bei Sportpferden gehören Probleme im Bereich der Fesselträger zu den verbreiteten orthopädischen Krankheitsbildern. Umso wichtiger ist es, dass sich Pferdehalter der besonderen anatomischen Situation des Fesselträgers bewusst werden. Ebenso ist es unverzichtbar zu wissen, ob und wie sich Fesselträgerschäden vermeiden lassen, um eine gegebenenfalls chronische Lahmheit des Tieres zu verhindern.
Inhaltsverzeichnis
Was ist der Fesselträger?
Viele Pferdehalter begreifen Fesselträgerschäden als Sehnenverletzung. Diese Einschätzung ist nur bedingt richtig. Eine Sehne im ursprünglichen Sinne ist der Fesselträger nicht. Ursprünglich hatte er in der Pferdeanatomie die Funktion eines Muskels und hat erst im Laufe der Pferde-Evolution die Struktur einer Sehne entwickelt.
Das bedeutet, dass er auch heute noch einen muskulären Anteil hat. Seinen Ursprung nimmt er anatomisch als Fesselträgerursprung am oberen Anteil des knöchernen Röhrbeins und zieht sich weiter als Fesselträgerkörper in Richtung Huf. Hier setzt er in vier Schenkeln an den Gleichbeinen des Fesselbeins sowie dem Fesselbein an. Ist ein Pferdebein belastet, steht der feste Träger jederzeit unter Spannung. Dagegen ist er bei Nichtbelastung beweglich und fühlt sich weich an.
Weshalb ist der Fesselträger anfällig für Verletzungen?
Aufgrund seiner anatomischen Lage ist der Fesselträger das maßgebliche funktionale Element des gesamten Fesseltragerapparats. Der Apparat wirkt wie ein Stoßdämpfer und muss jede Bewegung des Pferdes abfangen. Der Fesselträger ist in hohem Maße sämtlichen Zugbelastungen ausgesetzt.
Bei Verletzungen in diesem Bereich entsteht im Heilungsprozess oft Narbengewebe, welches weniger elastisch ist als das ursprüngliche Gewebe. Um das Pferd nach einer Verletzung in diesem Bereich wieder stückweise an die besonderen Belastung des Fesselträgers schrittweise heranzuführen und erneute Verletzungen zu vermeiden, sollte die Reha-Phase besonders sorgfältig und planvoll erfolgen.
Die Fasern des Fesselträgers müssen viel aushalten. Sie entspringen anders als Beugesehnen nicht aus einem Muskel. Ihr Ursprung ist ein Knochen. Während sich Muskeln dehnen und die Bewegungen mitmachen, bleibt ein Knochen starr. Dieser Aspekt ist besonders wichtig für die therapeutischen Ansätze bei Fesselträger-Belastungen und Verletzungen. Nur wenn die einzelnen Fasern eine angemessene Verbindung mit der Knochenoberfläche haben, behält die Verbindung auch bei Belastung ihren Halt.
Was ist ein Fesselträgerschaden?
Fesselträgerschäden und -erkrankungen können am Vorder- und Hinterbein, am Ursprung, am Fesselträgerkörper selbst oder am Schenkel auftreten. In diesen Bereichen können Zerrungen oder Risse auftreten, die zu Entzündungen führen können. Ebenso sind knöcherne Teil-Ausrisse möglich.
Informative Videos zum Thema Fesselträgerschäden
„Stimmt es, dass ein Fesselträgerschaden am Fesselträgerschenkel schlechte Heilungschancen hat?“
Diese Frage beantwortet euch Anni in den drei folgenden Videos:
Welche Ursachen haben Fesselträgerschäden?
Es werden unterschiedliche Ursachen für Erkrankungen am Fesselträger diskutiert. Dazu zählen unter anderem:
- Genetische Faktoren
- Überlastung (primär durch tatsächlich zu hohe Belastungen oder sekundär durch nicht ausreichend aufgebaute Muskulatur vor einer erhöhten Belastung)
- Spontane Traumata
- Konformationen am Sprunggelenk (anatomisch gelten gerade Sprunggelenke als anfälliger für diese Art von Erkrankungen)
Welche Symptome treten bei einer Fesselträgerproblematik auf?
In der Regel äußert sich ein Fesselträgerschaden durch eine unspezifische Lahmheit auf dem betroffenen Bein. Eine Verstärkung der Lahmheit nach einer Zehen-Beugeprobe kann bei einer Lahmheitsuntersuchung bereits einen ersten Hinweis auf eine Schädigung des Fesselträgers geben. Durch eine Leitungsanästhesie und weiterführend auch Röntgen- und Ultraschalldiagnostik kann der Tierarzt die Ursache der Lahmheit weiter eingrenzen. Wenn ein Fesselträgerschaden festgestellt wird, kann hier auch bereits das Ausmaß des Schadens erkannt werden.
Weiterhin können folgende Symptome auftreten:
- Lokale Erwärmungen an der Rückseite des Röhrbeins oder im Bereich der Gleichbeine
- Schwellungen (Ödeme) – starke Schwellungen sind eher selten, weil Fesselträger stark in das Gewebe versenkt sind
- Merkbare Schmerzreaktionen bei Druck auf den Fesselträger selbst, respektive auf die Röhre (im hinteren Teil)
Wie kann ein Fesselträgerschaden behandelt werden?
Es stehen heute unterschiedliche Behandlungsformen zur Verfügung, die auch miteinander kombiniert werden.
Die bekanntesten Therapieansätze im Akutfall sind folgende:
Das erste Ziel bei einem akuten Fesselträgerschaden ist der Abklang der Entzündung und dadurch auch eine Abschwellung des Gewebes. Meistens bedeutet das für das betroffene Pferd Boxenruhe und den Einsatz von Schmerzmedikationen. Bereits von Beginn an kann man die Regeneration des Gewebes mit dem Einsatz von pulsierenden Magnetfeldern, speziellen Kompressionsgamaschen, Kinesio-Taping oder den lokalen Einsatz von Blutegeln unterstützen.
Sobald die akute Entzündung abgeklungen ist, kann zur Unterstützung der Geweberegeneration zu verschiedenen Maßnahmen gegriffen werden.
Die autologe Bluttherapie (IRAP) ist eine spezielle Form der Eigenblutbehandlung. Es werden dabei im Gegensatz zu typischen Eigenblutbehandlungen nur bestimmte Teile des Blutes aufbereitet. Diese werden dem Pferd direkt in die Stelle des Fesselträgers injiziert, an denen der Schaden auftritt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom autologen konditionierten Plasma. Es enthält insbesondere an Blutplättchen gebundene Wachstumsfaktoren. Damit soll der Defekt an der jeweiligen Stelle durchbaut werden.
Unterstützend dazu können weitere Therapien zum Einsatz kommen. Auch hier können zur Kinesio-Tapes, Kompressionsgamaschen, Lasertherapie und pulsierende Magnetfelder auf sanfte aber effektive Art und Weise die Heilung fördern.
Andere Maßnahmen sind deutlich invasiver. Recht häufig wird die extrakorporale Stoßwellentherapie eingesetzt, bei der die Stoßwellen elektromagnetisch erzeugt und mithilfe eines Parabolspiegels an einem bestimmten Punkt im tiefen Gewebe konzentriert werden. Es handelt sich um eine hochenergetische Welle, die nur auf einen winzigen Bereich einwirkt. Die Behandlung ist schmerzhaft für das Tierund erfordert deshalb eine Sedation.
Im Gegensatz zur Stoßwellentherapie wirkt die radiale Druckwellentherapie auf einen großflächigen Bereich ein. Diese Wellentherapie geht nicht in die Tiefe. Das Tier empfindet bei der Behandlung kaum Schmerzen. Eine zehnminütige Behandlung wird regelmäßig toleriert.
In manchen Fällen kommt auch eine Fesselträgeroperation in Betracht. Bei der Operation zielen die behandelnden Veterinäre insbesondere auf eine Faszie ab, die nach einer Eröffnung den Druck auf den Nerv reduziert.
Häufig wird der Nerv auch dauerhaft entfernt. Eine Operation kommt nur bei chronischen Erkrankungen der Fesselträger in Betracht und löst niemals die Ursache auf. Sie ist vornehmlich ausgerichtet auf Beschwerden am Hinterbein, jedoch auch am Vorderbein möglich.
Neben den direkten Therapiemaßnahmen ist die Erstellung und Einhaltung eine passenden Rehaplans die Grundlage für eine Regeneration und Vorbeugung von weiteren Schäden. Sobald der Tierarzt die Freigabe zur kontrollierten Bewegung im Schritt gibt, sollte das Pferd regelmäßig auf eher harten Böden täglich im Schritt geführt werden. Dadurch kann das Narbengewebe im besten Fall reduziert werden und die Elastizität und dadurch die Belastbarkeit des Fesselträgers wieder bestmöglich hergestellt werden. Nach mindestens 4 Wochen im Schritt und bei Lahmfreiheit kann man langsam wieder das Training an der Longe im Trab ohne Reitergewicht hinzunehmen. Das Ziel ist dabei der Aufbau des Rumpftrageapparats um das Pferd zum einen wieder auf das Tragen des Reitergewichts vorzubereiten und durch eine gut ausgebildete Muskulatur die Belastung des Fesselträgers zu minimieren.
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Wie kann man Problemen mit dem Fesselträger vorbeugen?
Von Fesselträgerproblemen sind heute häufig schon jüngere Pferde betroffen. Viele Pferdeexperten sehen eine häufige Ursache darin, dass junge Pferde nicht ausreichend auf das Reitergewicht und zusätzlich auf sportliche Anforderungen vorbereitet werden. Durch eine Selektion auf besonders leichtrittige und leistungsbereite Sportpferde haben viele Pferde leider auch schon vor dem Anreiten genetisch bedingt ein eher schwach ausgeprägtes Bindegewebe. Wichtige Faktoren zur Vorbeugung von Fesselträgerschäden (und generell Schäden am Bewegungsapparat) beginnen daher häufig schon in einer durchdachten Auswahl von Stuten und Hengsten, einer passenden Mineralisierung von Mutterstute und Fohlen und natürlich einer Aufzucht mit ausreichend Bewegungsangebot und angepassten Ernährung für Jungpferde. Planvolles und dem Alter entsprechendes, abwechslungsreiches Aufbautraining mit Jungpferden sind weitere wichtige Faktoren zur Prävention. Besonders viel Wert sollte man dabei auf die Arbeit am Boden zum gezielten Aufbau des Rumpftrageapparats legen. Wenn dieser vor dem Tragen des Reitergewichts nicht ausreichend aufgebaut ist, kann das zusätzliche Gewicht von Sattel und Reiter nicht muskulär abgefedert werden sondern wird dann direkt auf die Sehnen des Fesseltrageapparats übertragen. Das kann auf Dauer bereits zu Mikroschäden führen, die lange vor einem sichtbaren Fesselträgerschaden auftreten.
Zusammenfassend können diese Faktoren eine Vorbeugung darstellen:
- Sinnvolle Auswahl von Mutterstute und Hengst
- Artgerechte Aufzucht und Mineralstoffversorgung der Jungpferde
- Aufbau des Rumpftrageapparats vor dem ersten aufsteigen
- Abwechslungsreiche Arbeit vom Boden und vom Sattel
- Arbeit mit dem Pferd auf geeigneten Böden
- Individuell passende Ernährung
- Artgerechte Haltung mit ausreichend Bewegungsangebot
Fazit zum Fesselträgerschaden
Fesselträgerprobleme treten bei vielen Pferden auf. Es stehen für die Behandlung von Schäden in diesem anatomischen Bereich heute verschiedene Behandlungsmethoden zur Verfügung. Die Prognose ist individuell. Pferdehalter können in unterschiedlichen Bereichen der Entstehung von Fesselträgerschäden bedingt vorbeugen.
Quellen:
pferdepraxis-kuehnle.com/chirurgie/fesseltraeger/
ehorses.de/magazin/fesseltraegerschaden-pferd/
pferdepraxis-kaminski.de/uploads/pdf-presse/Schwachpunkt-Fesseltraeger-Reiter-Revue.pdf
edoc.ub.uni-muenchen.de/4749/1/Urhahne_Petra.pdf
researchgate.net/publication/7268954_Disorders_of_the_origin_of_the_suspensory_ligament_in_the_horse_a_diagnostic_challenge
edoc.ub.uni-muenchen.de/25717/7/Wanninger_Stefanie_Anna.pdf
Bildnachweis:
© Stallbedarf24 – Eigene Aufnahme