In der Regel interessieren sich meistens nur Tierärzte, Wissenschaftler oder Psychologen für die innere Beschaffenheit oder Struktur eines Tieres. Ist das immer so? Nein. Gerade als Reiter oder Besitzer eines Pferdes bist Du sicherlich an tiefergehenden Informationen interessiert, was das „Innenleben“ von Deinem Liebling angeht. Denn es ist ja bekannt, dass Pferd und Reiter ein ganz besonderes Verhältnis zueinander haben. Um etwas genauer zu verstehen, wie sich Dein Pferd in bestimmten Situationen verhält oder was es mit seinem individuellen Verhalten ausdrücken will, ist es durchaus sinnvoll, sich einmal näher mit seinem Gehirn zu befassen. Wie ist es aufgebaut, wie funktioniert es? Aus Liebe zu Deinem Pferd bist Du wissbegierig und möchtest, dass ihr euch besser versteht und „auf Augenhöhe“ kommuniziert? Dann sind einige Erläuterungen zu dieser Thematik bestimmt interessant für Dich.
Inhaltsverzeichnis
Kleinhirn, Großhirn & Co. – auch beim Pferd komplex
„Nur wer versteht, welche Verhaltensweisen vom Pferdegehirn vorgegeben sind, kann ohne Missverständnisse mit seinem Pferd kommunizieren und die Ausbildung und das Training effizient und lösungsorientiert gestalten.“
Dieser Auszug aus dem Buch „Horse Brain, Human Brain“ von Janet L. Jones verdeutlicht, welche Bedeutung das Verstehen des Verhaltens vom Pferd, für Dich als Pferdemensch hat. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wohl nahezu jeder reitbegeisterte Mensch hat sich schon einmal beim Ausritt, dem Training in der Halle, dem Longieren im Roundpen oder bei der Bodenarbeit gefragt, warum reagiert mein Pferd gerade so und nicht anders. Nun etwas zum Aufbau des Pferdegehirns. Wie beim Menschen, wenn auch in der Größe etwas geringer; besitzt das Pferd ein Kleinhirn und ein Großhirn. Das Kleinhirn kann dabei als ein „Koordinations-Zentrum“ bezeichnet werden. Das Großhirn fungiert hingegen als „Empfangshalle für die Sinne.“ Das bedeutet, dass mit dem Großhirn die „höheren Sinnesorgane“ gesteuert werden. Dies sind die Augen, die Ohren sowie Nüstern, wie auch einige Regionen der Zunge. Nüstern und Zunge sind der Ausgangspunkt für die Atmung sowie den Verdauungsapparat Deines Pferdes. Die Sinnesorgane vom Pferd haben nicht nur die Aufgabe, Reize in der Umwelt rundum sowie rechtzeitig wahrzunehmen. Als entscheidende Signalgeber sind die Augen, Ohren wir auch Teile vom Maul anzusehen. Sie sind wichtig, auch für die Kommunikation von Pferden untereinander.
Entwicklung vor der Geburt
Ähnlich wie beim Menschen, findet auch schon beim Pferd die Reifung von Organen vor der Geburt statt. Dadurch ist es so, dass das Gehirn vom Pferd im Mutterleib den größten Entwicklungsprozess durchläuft. Das Pferdegehirn hat seine Position hinter dem Gesichtsschädel. Der Pferdeschädel ist, grob gesagt, einmal in den so genannten Hirnschädel sowie dem Gesichtsschädel eingeteilt. Der Hirnschädel wird von der Gehirnkapsel gebildet. Der Gesichtsschädel Deines Pferdes besteht einmal aus der Nasenkapsel, weiter aus der so genannten Mandibula sowie zusätzlich dem Zungenbein. Das Gehirn von Deinem Pferd ist nicht gerade sehr groß – auch wenn es, wie Du weißt, wirklich schlau ist. Sein Hirnschädel ist, im Vergleich zu dem Gesichtsschädel, sehr klein. Das Pferdegehirn wiegt zwischen 400,0 und 700,0 Gramm. Das sind nur rund 0,1 Prozent von der kompletten Körpermasse vom Pferd! Oder anders ausgedrückt: Das entspricht circa nur einem Achtel der Größe vom Gehirn des Menschen.
Wie schlau sind Pferde?
Diese Frage haben wohl nicht nur Pferdefreunde gestellt. Pferde haben Köpfchen – im wahrsten Sinne des Wortes. Soziale Intelligenz und Co. sind Stichworte, die auch bei Deinem Liebling zum Ausdruck kommen. Dein Pferd ist nicht dumm. Es agiert eben nur etwas anders als wir Menschen. Die Informationen, die es in seinem Gehirn verarbeitet, werden mit einer anderen Zielsetzung verarbeitet. Pferde lernen Dinge und speichern sie. Da sie ja Fluchttiere sind, können diese Infos bei Bedarf abgerufen werden und – wenn für sie eine augenscheinliche Gefahrensituation droht, die Flucht ergreifen.
Lernen, lernen, lernen… Training ist gut für das (Pferde)Gehirn
Die mentalen Fähigkeit vom Pferd sind nicht gering, sondern vielfältig ausgeprägt. Das wurde schon wissenschaftlich belegt. Dein Pferd lernt sehr viel durch beobachtendes Verhalten. Einmal von seinen Herdenmitgliedern sowie von den Menschen, die mit ihm umgehen. Ein gutes Beispiel für diese Verhalten: Du kannst Deinem Pferd beibringen, einen Sperrriegel vor der Stallbox aufzumachen. Oder das Öffnen einer Futterkiste – auch das ist möglich. Versuche es einmal als Übung mit Deinem Pferd; Du wirst erstaunt sein, wie gut dies mit etwas Geduld funktionieren wird. Diese mentalen Fähigkeiten wurden von Frau Prof. Dr. Konstanze Krüger erforscht und bestätigt. Sie forscht an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt im baden-württembergischen Nürtingen-Geislingen. Werden einem Pferd viele kognitive Reize entgegengebracht; lernt es umso besser und schneller. Das bedeutet in der Praxis: Trainiere viel mit Deinem Pferd. Beispiel Bodenarbeit – dort muss Dein Liebling viele Dinge für sich unterscheiden. So muss es sich unterschiedliche Hilfen „merken“; und das oft in kurzen Zeitabständen. Das Pferd lernt beispielsweise zwischen vorwärtstreibenden beziehungsweise verwahrenden Schenkel vom Reiter zu unterscheiden. Machst Du regelmäßig verschiedene solcher Übungen mit Deinem Pferd – und Du belohnst es bei „richtig“ absolvierten Aufgaben (also Unterscheidungen) – förderst Du damit auch motivierendes Verhalten. Natürlich ist es wichtig, die Belohnung direkt nach der erfolgten Übung zu geben. So kann sich Dein Pferd den Zusammenhang zwischen erfolgreicher Trainingseinheit und Belohnung „abspeichern“.
Schlaues Pferd – die Beschäftigung macht es möglich
Somit zeigt sich schon jetzt, dass Dein Pferd zu den intelligenten Tieren gehört. Übungen, (Verhaltens)Training und Belohnung – hier wird ein direkter Zusammenhang deutlich. Damit können richtige Erfolge erzielt werden. Und das Beste daran: Du und Dein Pferd kommen sich damit immer näher. Das heißt; das gegenseitige Verstehen wird gefördert, euer Vertrauensverhältnis wächst. Erwünschte Handlungen belohnen, fördert also das kognitive Vermögen vom Pferd. Als (langfristiges) Ergebnis wirst Du ein tolles partnerschaftliches Verhältnis zwischen Deinem Pferd und Dir erreichen. Für solch kognitive Übungen sind natürlich fast keine Grenzen gesetzt. Fordere Dich und Dein Pferd heraus – ihr werdet euch immer besser kennenlernen. Du wirst bewusster verstehen, wie sich Dein Pferd konzentriert, wann es eine Pause benötigt und schließlich – wie es „tickt“.
Quellen:
cavallo.de
Podcast, Juli 2018: Prof. Dr. Konstanze Krüger im Gespräch mit Cavallo (Schlaue Pferde – was sie wirklich können)
reiterrevue.de
kiefferMAG – kieffermagazin.net
Buch: Horse Brain, Human Brain: Janet L. Jones, PhD (2020)
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