Das Thema Anbindehaltung beschäftigt nicht nur Landwirte und Tierschützer, sondern auch deutsche Gerichte. Doch was hat es mit dieser Praxis überhaupt auf sich und welche Alternativen gibt es derzeit? Wir haben uns das Thema Anbindehaltung bei Rindern und Kühen einmal genauer angeschaut und beleuchten die verschiedenen Aspekte im Bereich Landwirtschaft und Tierschutz.
Inhaltsverzeichnis
Anbindehaltung: Eine Definition
Bei der Anbindehaltung werden Rinder oder Kühe meist mit einem stabilen Seil oder einer Kette am Hals angebunden. Die Tiere stehen nebeneinander im Stall und können an der Kette stehen oder sich hinlegen. Schritte nach vorne oder nach hinten können die Tiere aufgrund der Länge der Befestigung nicht machen. So lassen sich auf kleinstmöglichem Raum viele Rinder oder Kühe ohne Stress für den Landwirt halten. Dass diese Praxis nicht den Tieren gerecht wird, erscheint auf den ersten Blick schlüssig.
Wie lange ist die Anbindehaltung noch erlaubt?
Im Zuge der Koalitionsverhandlungen wurde festgelegt, dass die Anbindehaltung gesetzlich verboten werden solle. Dafür hat man sich und den Landwirten allerdings eine Übergangsfrist von 10 Jahren eingeräumt. Viele der mit dem Thema verbundenen Tierrechtsorganisationen prangern diese lange Frist an und fordern eine schnellere Umsetzung. Laut aktuellem Stand kann die Anbindehaltung allerdings noch bis zum Jahr 2032 erlaubt bleiben, sofern es keine weiteren gesetzlichen Vorschriften und Änderungen gibt.
Welche gerichtlichen Urteile gibt es bereits zum Thema der Anbindehaltung?
Das große Problem ist, dass es aktuell keine echten Richtlinien zur Haltung erwachsener Rinder und Kühe in Deutschland und in der EU gibt. Die einzige Richtlinie stammt aus dem Jahr 1988 und ist äußerst schwammig formuliert. Dennoch gibt es immer wieder einzelne Gerichtsurteile, welche die Anbindehaltung in bestimmten Betrieben verbieten oder zumindest einschränken. Eines der neuesten Urteile ist im Jahr 2022 gefällt worden. Bei der Kontrolle durch das Veterinäramt auf einem Hof im Kreis Borken wurde die Anbindehaltung untersagt. Dies wollte der Landwirt nicht auf sich sitzen lassen und klagte vor dem Verwaltungsgericht Münster. Im Jahr 2022 wurde nun in diesem Fall das Urteil gefällt. So wurde dem Landwirt unter anderem durch das Gericht angeordnet, dass dieser zwischen dem 1. Juni und dem 30. September seinen Rindern täglichen Auslauf von mindestens zwei Stunden Dauer ermöglichen müsse. Dabei bezog sich das Gericht auf die niedersächsischen Tierschutzleitlinien zur Milchkuh- und Mastrinderhaltung, welche als Grundlage für die Tiergesundheit herangezogen werden konnte.
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Alternative Haltungsformen: Ein Problem für viele Landwirte
Die Anbindehaltung ist eine Unterform der Stallhaltung. Insgesamt gibt es in Deutschland vier verschieden Haltungsformen, welche unter anderem auch den Preis für die Milch und das Rindfleisch beeinflussen. Die Haltungsformen sind:
- Stallhaltung
- Stallhaltung Plus
- Außenklima
- Premium
Nur bei der Stallhaltung, also der niedrigsten Klasse, ist die Anbindehaltung überhaupt erlaubt, wenn auch nicht empfohlen. Die Alternative ist die sogenannte Laufstallhaltung. Hier dürfen Kühe und Rinder sich im Stall frei bewegen und haben eigene Schlafboxen. Für die meisten Landwirte ohne eigenes Weideland ist diese Form der Haltung somit die einzig gangbare Alternative. Diese bedeutet allerdings auch mehr Aufwand, da die Stallpflege deutlich aufwändiger wird. Durch den Entfall der Anbindehaltung wird sich also auf Dauer auch der Preis für Rindfleisch und weitere Produkte spürbar erhöhen.
Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn die Landwirte auf die anderen beiden Haltungsformen wechseln. Für diese benötigen die Landwirte aber entsprechende Freiflächen, auf welchen diese Rinder und Kühe halten können. So oder so wird es also zu Veränderungen kommen müssen, welche viele Landwirte vor neue Herausforderungen stellen.
Weitere häufig gestellte Fragen zur Anbindehaltung (FAQ)
Gibt es diese Form der Haltung auch bei anderen Nutztieren?
Es gibt bei vielen anderen Nutztieren Haltungsformen, die es zu kritisieren gilt und welche auch von den entsprechenden Organisationen abgemahnt werden. Eine der Anbindehaltung ähnliche Haltungsform gibt es aber für andere Tiere in der Regel nicht.
Fällt die Anbindehaltung unter Tierquälerei?
Grundsätzlich fällt eine solche Haltung nicht unter Tierquälerei, sonst wäre diese bereits jetzt in Deutschland und in der EU verboten. Die Tiere werden bei dieser Haltungsform nicht gequält. Allerdings kann man auch nicht von einer artgerechten Haltung sprechen, da der natürliche Bewegungsdrang der Tiere deutlich eingeschränkt wird.
Fazit: Das Zeitalter der Anbindehaltung geht zu Ende
Egal was die verschiedenen Bauernverbände und auch einzelne Bundesländer behaupten, die Anbindehaltung wird keine weitere Zukunft in Deutschland haben. Geht es nach den verschiedenen Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen, sollte diese Haltungsform eher früher als später abgeschafft werden. Stand heute ist es allerdings noch so, dass die meisten Landwirte noch bis ins nächste Jahrzehnt hinein nichts an der Haltung ändern müssen. Dennoch ist es bereits jetzt an der Zeit, zu überlegen, welche Alternativen möglich wären. Legt man die bisherigen Urteile zugrunde, werden Rinder und Kühe in Zukunft weiterhin in der Anbindehaltung gehalten werden können, müssen dafür aber für eine bestimmte Mindestdauer auf die Weide dürfen. Wie Landwirte dies bei einem großen Viehbestand realisieren möchten, steht allerdings noch in den Sternen. Schließlich können die Kühe und Rinder nicht einfach von der Weide wieder in den Stall getrieben und dort problemlos angebunden werden, ohne dass ein großer personeller Mehraufwand betrieben wird. Die konventionelle Tierhaltung von Rindern und Kühen wird sich also in Teilen neu erfinden müssen, wenn die gesetzlichen Standards sich ändern.
Quellen:
baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/vg-muenster-untersagt-ganzjaehrige-anbindehaltung-von-rindern
tagesschau.de/investigativ/br-recherche/milchviehhaltung-tierschutz-101.html
haltungsform.de
VG Münster, Urteil vom 03.02.2022 – 4 K 2151/19
VG Münster, Eilrechtsbeschluss vom 20.12.2019 – 11 L 843/19
VG Oldenburg, Eilrechtsbeschluss vom 19.09.2019 – 7 B 2440/19
Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen, Beschwerdebeschluss vom 29.07.2019 – 11 ME 218/19
VG Lüneburg, Eilrechtsbeschluss vom 29. Mai 2019 – 6 B 43/19
OVG Niedersachsen, Beschwerdebeschluss vom 26.10.2012 – 11 ME 274/12
VG Stade, Eilrechtsbeschluss vom 21.09.2012 – 6 B 2245/12
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